Über die Pflege hinaus
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Keine Gänge, Marktplätze! Diesen Grundgedanken stellte das Wiener Architekturbüro wup_wimmerundpartner in den Mittelpunkt der Planung ihres Pflegewohnhauses „Ingrid-Leodolter-Haus“. Aus einem annähernd quadratischen Baukörper haben sie vier großzügige Gartenhöfe geschnitten: Offenheit und Kommunikation erleben Bewohner und Besucher in einer Abfolge von Gemeinschaftsbereichen mit vielfältigen Aufenthaltsqualitäten, die sich um die Höfe gruppieren.
Im vergangenen September wurde der Neubau auf dem ehemaligen Gelände des Kaiserin-Elisabeth-Spitals in Betrieb genommen. Im Rahmen des im Jahr 2007 begründeten Geriatriekonzepts der Stadt Wien ist dies nun das letzte von acht neuen Pflegewohnhäusern des Wiener Krankenanstaltenverbunds. Das Haus mit sozialmedizinischer Betreuung bietet einen Bereich für Kurzzeitpflege, neun Bereiche für Langzeitpflege sowie zwei Bereiche für an Demenz erkrankte BewohnerInnen. Es verfügt insgesamt über 328 Betten, größtenteils in Form von Einzelzimmern, sowie einen Kindergarten mit fünf Gruppen.
Den kompakten Gebäudeblock haben die Architekten durch Vor- und Rücksprünge, einer Höhenstaffelung und einer strukturierten Fassade abgemildert; so wurde bewusst in zwei Gassen nicht an die festgesetzte Baulinie gebaut. Stattdessen wurden die Fassaden 7 m versetzt geplant, um Distanz zur Nachbarbebauung zu schaffen und das Haus in einen Grünraum zu betten. Die Besonderheiten des Entwurfes werden im Innern sichtbar: Die rund 100 Bewohnerzimmer einer Ebene werden nicht über gewöhnliche Flure erschlossen, sondern werden durch großzügige Bereiche und Wege, der Marktplatzfläche, miteinander vernetzt – der öffentliche Raum als Bewohnergalerie, Essplatz, Ruhe- und Rückzugsmöglichkeit oder auch als Spielzone und Geh-Parcours. „Das völlig neuartige, räumliche Konzept mit den vielfältigen Aufenthaltsqualitäten und Durchblicken hat uns von Beginn an beschäftigt“, berichten die Architekten.
Die Zimmer selbst verfügen neben der zum Straßenraum liegenden Loggia auch über einen halbprivaten „Vorgarten“ – eine innere Loggia, die an die Marktplatzfläche angrenzt. So entsteht für die Bewohner ein geschützter Bereich, von dem aus sie am Stationsleben teilhaben können. Einfach nur schauen, sich auf dem Laufenden halten oder auch mal den Nachbarn oder die Nachbarin zu sich einladen, das kann jeder Bewohner entscheiden wie er möchte. Diese Idee und Haltung spricht viele Bewohner und ihre Familien und Freunde, die einmal dort gewesen sind, an. Entstanden ist ein Ort, der neben der bestmöglichen Pflege auch ein Stück gewohnten Alltag und persönliche Lebensräume bietet.
Für Architektur, technische Details und Funktionalität gab es in diesem Jahr den internationalen Domico Architekturpreis Domigius.
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Architekten:
wup_wimmerundpartner
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Fotos:
Andreas Buchberger
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