Eine ungewöhnliche Rückzugsoase
Alte Strukturen können ungeahnte Möglichkeiten entwickeln
Wer hätte schon vor 100 Jahren gedacht, dass ein ausgedientes Kutscherhaus als Apartment erhalten bleiben würde? Wie sehr es sich lohnen kann, scheinbar veraltete Strukturen näher unter die Lupe zu nehmen, demonstriert das lediglich 35 m² große Kutscherhäuschen, gelegen in einem verwunschenen Innenhof unmittelbar hinter dem Museumsquartier. Das Büro smartvoll Architekten aus Wien hat dank eines klugen Umbaukonzeptes dem kleinen historisch wertvollen Bestandsbau ein neues Leben eingehaucht.
Eine der ersten Entscheidungen, die getroffen wurden, als sich der Bauherr und das Architektenteam über die Planung ausgetauscht haben, war, die lediglich 35 m² große Fläche als einen großzügigen Raum darzustellen. „Unsere Idee war, einen freigespielten Raum mit Küche und Stauraumflächen an den Wänden zu gestalten mit der Besonderheit eines Multitalent – einer Insel – in der Mitte, das zum Schlafen, Essen und Entspannen genutzt wird. Damit konnten wir den Bauherrn überzeugen“, so Architekt und Büroinhaber Christian Kircher. Über die gesamte Breite des Apartments haben die Architekten ferner eine Terrasse ergänzt, die sich nahtlos mit dem Wohnzimmer zu einem Raumkontinuum verbinden lässt. Mit dem so gewonnenen Außenraum konnte das 35 m² „kleine“ Apartment nahezu verdoppelt werden. Ein vorgesetztes scheinbar leichtes und luftiges „Lamellenkleid“ sorgt für Privatsphäre und ermöglicht Ausblicke, ohne Einblicke der Nachbarn zu ermöglichen. Die schmalen Lamellen schmiegen sich weiter um eine zurückversetzte Wendeltreppe, die zum Eingang und die neu geschaffene Dachterrasse führt, von der man einen unvergleichlichen Blick auf die Museen genießen kann.
So schnell die Planung entschieden war, so lange dauerte hingegen die Genehmigung. Annähernd drei Jahre mussten Bauherr und Architekt ausharren. Da im Bebauungsplan keine gesetzlichen Richtlinien für das Kutscherhäuschen festgeschrieben waren, durfte zunächst an der Kontur des Hauses nichts verändert werden. Das bedeutete: Fingerspitzengefühl mit den Behörden und gute Ideen waren gefragt. „Da die neue vorgelagerte Terrasse die Nachbarschaftsbebauung nicht direkt beeinträchtigt, wurde für die bauliche Ergänzung eine Ausnahmeregelung erteilt. Die Lamellen haben wir als Absturzsicherung und somit als Geländer deklariert. Die Richtlinien schreiben zwar eine Mindesthöhe für Geländer vor, aber keine Maximalhöhe“, erläutert Christian Kircher. „So haben wir mit dem bis zu 5,50 m hohen Lamellenvorhang die Vorschriften eingehalten und gleichzeitig dem Kutscherhäuschen sein unverwechselbares Erscheinungsbild gegeben.“
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Fotos:
Dimitar Gamizov/smartvoll