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Eine Skulptur und kein Grill

Künstler und Firmeninhaber Andreas Reichlin über Ideenfindung, gutes Design und Reduktion

CUBE: Lieber Andreas, du bist gelernter Stahlplastiker und Designer. Wie kamst du auf dein... mehr
CUBE: Lieber Andreas, du bist gelernter Stahlplastiker und Designer. Wie kamst du auf dein erfolgreiches Produkt, den Feuerring – aus Kreativität und Kunst?

Andreas Reichlin: Ja, ich bin durch und durch Künstler. Ich bin gelernter Holzbildhauer und erst danach autodidaktisch zum Stahl gekommen und habe so den Feuerring entwickelt. Dass dieser zu einem erfolgreichen Produkt geworden ist, liegt sicherlich erstens an der künstlerischen Grundlage des Feuerrings, denn er ist eine Skulptur und kein Grill. Aber ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass ich Beate kennengelernt habe und sie die Grundlagen des Kaufmännischen, der Firmenstruktur zusammengebracht hat. So hat sie den Feuerring in die Welt getragen, wo man ihn heute auch sieht. Als Künstler kannst du alleine von einer guten Idee nicht leben, man muss damit auch nach draußen gehen. Das Kaufmännische liegt mir überhaupt nicht, obwohl ich von meinem Vater das unternehmerische und wirtschaftliche Denken vorgelebt bekommen habe. Da ist mit Beate eine wunderschöne Synergie geschaffen worden.

Gab es für dich einen Schlüsselmoment, bei dem du plötzlich wusstest: „Das läuft! Das kommt an!“?

Das war schon der erste Feuerring. Mich hat in der Kunst noch nie interessiert, ob etwas ankommt oder nicht. Wir haben uns auch nicht nach einem Markt gerichtet. Das ist spannend, weil wir in der Zwischenzeit einen ganz neuen Markt auf die Beine gestellt haben. All die Grillringe, die auf dem Markt sind, die Feuerringkopien – da ist wirklich ein komplett neuer Markt entstanden. Beate und ich ziehen am gleichen Strick. Wir machen das, was für uns richtig ist, was für uns stimmig ist, was authentisch ist – und wir haben das Glück, dass das, was wir tun, auch gefragt ist. Ich glaube, es ist ganz einfach: Wenn man sich überlegt, mit einer Firmenphilosophie Freude weiterzugeben und das ernsthaft betätigt, dann kommt die Freude auch an. Das ist der Grundsatz unserer Firma.

Der Feuerring findet zunehmend nationale sowie internationale Liebhaberinnen und Liebhaber und macht seinen Weg um die Welt. Wachstum geht einher mit steigenden Managementaufgaben, Verantwortung und auch negativem Stress. Wie geht ihr damit um?

Wachstum ist gar nicht unser größtes Ziel. Lange Zeit gab es bei uns eine jährliche Verdoppelung und ich bin ganz froh, dass es nicht mehr so ist. Wir wollen nicht die große Masse bewegen, sondern ein exklusives Produkt mit skulpturalem Charakter leben. Wie wir mit dieser Stresssituation umgehen, das ist schon spannend. Während der coronabedingten Grenzschließung war die Stressituation aber gerade umgekehrt. Wir hatten das Glück – und dafür sind wir sehr dankbar – dass wir keine Einbrüche hatten, sondern ganz im Gegenteil aufgrund von mehr Aufträgen einer großen Herausforderung gegenüberstanden. Da unser Büro aber schon vorab so gut strukturiert war, konnten wir diese sehr gut bewältigen.

Ihr macht auch große Ausstellungen, z. B. Designer Saturday. Das sind sehr umfangreiche Installationen, die kreiert, geplant und umgesetzt werden müssen. Macht dir auch dies Freude?

Und wie! Ich habe großen Spaß daran, endlich wieder als Bildhauer gestalterisch zu arbeiten, die wunderschönen Räume bespielen zu dürfen und die Feuerringe in einen Garten zu setzen. Aber es ist natürlich schon eine ganz andere Herausforderung, große, städtische Räume mit einer Installation zu bespielen, die dann in sich stimmig ist und unserer Philosophie Treue wahrt. Sich treu zu bleiben und gleichzeitig auch ganz neue Impulse zu setzen, das macht schon einen riesengroßen Spaß. Auch hier ergeben sich im Team und mit Beate wieder ganz tolle Synergien. Sie hat Ideen, ich habe Ideen und das wiegt sich gegenseitig hoch und ergibt immer ganz spannende Prozesse. Und schlussendlich ist es dann auch eine große Freude, das Glänzen in den Augen der Kundschaft oder der Besucher erleben zu dürfen.

Wo schöpfst du eigentlich die Kraft für neue Inspiration – dafür, den Kopf freizuhaben und neue Dinge zu erdenken?

In letzter Zeit bin ich viel in den Bergen unterwegs. Ich liebe unsere Schweizer Berge. Ich versuche immer, recht weit oben einzusteigen. Ab 2.000 Metern gibt es keine Bäume mehr. Die Landschaft wird sehr schroff, echt und ursprünglich. Es gibt hier Steinformationen, die mich als Bildhauer extrem bewegen. Letzten Sonntag war ich auf einem hohen Berg und da stand ein Stein oben auf einer Kuppe, der wie ein Kopf aussah. Er liegt dort so selbstverständlich, als würde er schon seit tausend Jahren dort liegen – tut er vielleicht auch. Das sind Momente, in denen ich sehe, wie reduziert, wie einfach etwas sein kann und dann diese Kraft hat. Ich versuche, diese Kraft in mein gestalterisches Denken mitzunehmen und auch hier Lösungen zu finden, die so selbstverständlich und logisch sind und einfach nur ruhend da liegen.

Was habt ihr aktuell vor Augen? Arbeitet ihr an einer neuen Form oder einem neuen Produkt?

Ja, wir sind an etwas dran. Zur Zeit interessiert mich das Gewaltige – so wie auch in den Bergen. In den Bergen bist du nichts, wenn du dich im Vergleich betrachtest. Wir haben zwei große Feuerringe mit 2,59 m Durchmesser gebaut. Ich versuche eine neue Dimension mit dem Feuerring zu erreichen, durch die man auch größere Räume noch dynamischer bespielen kann. Heute habe ich einen massiven Schritt in diese Richtung in die Wege geleitet, in welchem wir mit einer Firma aus Deutschland zusammenarbeiten werden. Bei euch Deutschen ist ja alles immer ein bisschen größer als bei uns Schweizern. Ihr habt einen wunderbaren Maschinenpark, wo auch sehr große Formen hergestellt werden. Etwas Vergleichbares gibt es bei uns in der Schweiz nicht.

Ich bin gespannt.

Ich auch. (lacht)

Du gewinnst regelmäßig Design Awards. Was macht für dich gutes Produktdesign aus?

Das es funktioniert. Es muss in allen Belangen funktionieren. Das heißt, nicht nur für das Auge, sondern auch von der Statik. Es muss stimmig sein. Auch die Ökologie und Nachhaltigkeit ist wichtig. Es spielen viele Faktoren mit, sodass es schlussendlich zu einem runden Ganzen wird. Ich erkläre es sehr gerne am Beispiel eines Stuhls. Wenn du einen Stuhl hast, der einfach nur schön ist und du legst oder setzt dich rein und spürst, dass das Ding einfach nicht bequem ist – dann stellst du es in die Ecke und schaust es nicht mal mehr an. Die Funktionalität gehört einfach dazu, so wie auch die Statik und Nachhaltigkeit. Wenn ein gutes Design all diese Punkte miteinander vereint, dann entstehen sogenannte „Klassiker“. Davon bin ich fest überzeugt. Deshalb war es mir bei der Gestaltung des Feuerrings sehr wichtig, keinen Grill zu schaffen, sondern zu versuchen, all diese Punkte zu vereinen. Ich bin fest überzeugt, dass der Feuerring das Zeug und die Basis dafür hat, zu einem Klassiker zu werden. Aber bis dahin gibt es noch viel Arbeit.

Wir sprachen ganz am Anfang darüber, dass Corona vieles verändert. Glaubst du, dass die Pandemie zu einem bewussteren Nachfrageverhalten führen wird?

Ich hoffe, dass das Bewusstsein wieder stärker wird, dass man wieder schaut, was man in der Nähe hat und wo die Schönheit liegt. Dass man nicht um die ganze Welt reisen muss, um etwas zu erleben, sondern auch in der Reduktion, in der näheren Umgebung neue Sachen erlebt und auch neue Sachen daraus generiert und daraus eine neue Dynamik entsteht. Und ich glaube und hoffe, dass die Nachhaltigkeit eine neue Dimension bekommt. Ich hoffe schwer, dass sie eine Kraft bekommt, die in die richtige Richtung zieht.

Lieber Andreas, ich danke dir für das nette Gespräch.

Das Interview führte Gerrit Menke.

Andreas Reichlin

1968 geboren in Zug, Schweiz
1984–1990 Lehre als Holzbildhauer sowie Gesellenjahre bei Josef Schibig, Steinen
1985–1989 Weiterbildung an der Schule für Gestaltung, Luzern
1990–1992 Bildhauerschule in Mülheim
1992 Académie Carpentier de la Grande Chaumière, Paris
1993 Erstes Atelier in Küssnacht am Rigi
1997 Neues Atelier in Immensee
2009 Patentierung der Form Feuerring und Firmengründung Feuerring GmbH mit Beate Hoyer.

Aktuell bietet Feuerring 15 verschiedene Modelle des Feuerrings an, u. a. Feuerring Tulip, der mit dem red dot und dem German Design Award ausgezeichnet wurde. Auch der Serie Feuerring, dem Rezeptebuchset „Feuer & Ring“ und der Unternehmensmarke wurden Auszeichnungen verliehen.

(Erschienen im CUBE Magazin 04|20)

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