Alles ist wieder erlaubt
Während der Mailänder Designwoche erlebten die Besucher viel Stilmix und ein großes Memphis-Revival
Allgegenwärtig war während der Mailänder Designwoche die seit einiger Zeit neu entfachte Begeisterung für die berühmte italienische Designbewegung Memphis. Michele De Lucchi gestaltete auf der Messe mit „The Walk“ ein Projekt zur Zukunft der Arbeitswelt. Die legendäre Memphis Frau Nathalie De Pasquier entwarf Sofabezüge für Kartell. Der italienische Hersteller legte zusätzlich bislang noch nicht veröffentlichte Produkte des Stars der Design-Gruppe aus den achtziger Jahren, Ettore Sottssas, neu auf.
Die Messebesucher hatten nicht nur am Stand von Kartell den Eindruck, dass wie zu Zeiten der Postmoderne im Design wieder ein wilder Stilmix den Ton angibt. Bei den Herstellern lösen sich derzeit nicht nur die stilistischen Grenzen auf, sondern auch festgelegte Funktionsbereiche der Einrichtungsprodukte verschwinden. Der italienische Hersteller Arper steht für diesen Trend und zeigte wie extrem flexibel Möbel heute konzipiert sind. Das neue Arper Sofasystem "Steeve" des französischen Designers Jean Marie Massaud ist auf unendliche Weise konfigurierbar. Das Möbel kann deshalb zu Hause stehen, ebenso im Büro oder in einer Hotellobby. Die unbegrenzten Möglichkeiten im Design sind auch das Resultat des Gestaltens am Computer. Dass Bildschirmarbeit und traditionelle Handwerkskunst kein Gegensatz sein müssen, zeigt Matiazzi aus dem norditalienischen Friaul. Der Spezialist für Holzverarbeitung präsentierte mit dem „Clerici“ ein weiteres Sitzmöbel des Müncheners Konstantin Grcic. Der Designer knüpft mit seinen Arbeiten für den italienischen Hersteller an seine Ausbildung als Tischler an und lotet dabei die gestalterischen Möglichkeiten des Werkstoffs Holz aus.
Wie man eine Traditonsmarke intelligent modernisiert, macht der skandinavische Hersteller Fritz Hansen vor. Seit einiger Zeit arbeitet Fritz Hansen mit dem Spanier Jaime Hayon zusammen. In diesem Jahr zeigte Fritz Hansen als Neuheit den Sessel FriTM sowie den Stuhl SammenTM. Beide Produkte sind Ergänzungen zu der bereits bestehenden Hayon Linie. Die Arbeiten beweisen, wie auch im Angesicht übergroßer Ikonen von Arne Jacobson und Paul Kjaerholm sich zeitgenössisches Design behaupten kann. Moroso suchte in diesem Jahr auf progressive Weise den Dialog mit Kunst und Architektur. Im Showroom im Stadtteil Brera stellte der Hersteller aus Udine seine Produkte in den Kontext von Künstlern wie Sarah Morris, Daniel Buren oder Liam Gillick. Auf der Messe konfrontierte Moroso Möbel-Entwürfe von Designern mit solchen von den Architekten David Adjaye und Daniel Libeskind.
Firmeninhaberin Patrizia Moroso hat maßgeblich die Karriere des deutschen Sebastian Herkner befördert. Der Offenbacher ist derzeit einer der gefragtesten Designer der jüngeren Generation. In Mailand zeigte Herkner neben der Sessel-Serie Pipe für Moroso erstmals Polstermöbel und Tische für den italienischen Hersteller La Cividina. Die Gegend um die Via San Gregorio war das spannendste Viertel außerhalb der Messe-Hallen. Ein Highlight war die Ausstellung des Designers Le Broom. Der Engländer hat bei der Modemacherin Vivienne Westwood gearbeitet und ist dann zum Interieur gewechselt. Dessen Stil ist extravagant, bewegt sich an der Grenze zum Kitsch. Wie es sich für eine Briten gehört, bietet Le Broom neben Exzentrik auch viel Humor.