Schmalspur
Einfamilienhaus nutzt das extreme Hanggrundstück für das Wohnen mit Weitblick auf vier Ebenen
Für den Bau dieses Einfamilienhauses waren die Rahmenbedingungen denkbar ungünstig: Das eigentlich als unbebaubar deklarierte Grundstück ist extrem steil, die aufgelassene Weinbergparzelle mit 10 x 100 m knapp bemessen und das Baufenster gerade einmal 5 m breit. Eindeutig für das Grundstück spricht seine exponierte Lage. Der bergseitig anschließende Garten liegt in einem Grünzug, in dem sich kleine hölzerne Zweckbauten lose gestreut in den Streuobstwiesen verbergen. Innerhalb der vorhandenen Reihe aus Häusern der 1930er-Jahre nimmt der schmale Neubau mit seiner turmartigen Talansicht eine Sonderstellung ein. Das Büro lorhmannarchitekt gestaltete den kompakten Baukörper einfach, sodass er typologisch mit den mit der Landschaft verwachsenen Architekturen in Beziehung steht. Erschlossen wird das Haus von der Hangseite über eine himmelsleiterartige Treppe und einen parallel verlaufenden 60 m langen Schrägaufzug, wie er im Weinbau eingesetzt wird. Holz und Beton in unterschiedlicher Güte und Bearbeitung dominieren: Der rau geschalte und im Innenraum roh belassene Betonkörper wird von einem sägerauen hölzernen Mantel umhüllt, in den großflächige Verglasungen wie Intarsien flächenbündig eingefügt sind. Im Innenausbau steht der fein geschliffene Einsatz beider Materialien als Bodenbelag in reizvollem Kontrast zu den rau ausgeführten Wänden.
Die über vier Ebenen gestapelte Einraumarchitektur erzeugt ein Raumkontinuum von unerwarteter Großzügigkeit. Ein gemauerter Kern nimmt dienende Funktionen auf und gliedert die Geschosse in Bereiche. Kammerartige Rückzugsräume lassen sich durch Schiebewände abteilen. Jede Geschossebene erweitert sich auf Außenterrassen. Mit raumhohen Verglasungen öffnet sich der Küchen- und Essbereich auf der Eingangsebene zum Tal und zur Stadt. Der Bodenbelag in diesem Geschoss ist in geschliffenem Beton ausgeführt, ebenso die Treppe, die in die beiden Untergeschosse führt. Ein Luftraum schafft die optische Verbindung zum Wohnbereich im darüber liegenden Staffelgeschoss, das sich wiederum an der Südseite zu einer Dachterrasse mit Weitblick öffnet. Ein durchgängiger Bodenbelag aus Holzdielen in gebürsteter, weiß geölter Lärche unterstützt in beiden Untergeschossen inklusive der Bäder das Raumkontinuum. Die Badewanne im 2. Untergeschoss befindet sich in einer apsisartigen Nische unter einem Oberlicht. Beim Baden blickt man in den Himmel und das ständig wechselnde, eindrucksvolle Lichtspiel des einfallenden Streiflichts prägt den Charakter des Bades entscheidend mit.
Fotos:
Susanne Wegener
www.susannewegner.de
lohrmannarchitekt
(Erschienen in CUBE Stuttgart 04|22)