Raum für Körperkunst
Neugestaltung eines außergewöhnlichen Tattoo-Studios in Bausubstanz aus den 1970er-Jahren
Aus der anfänglichen Frage nach der geeigneten Beleuchtung für die neuen Räume eines etablierten Tattoo-Studios wurde ein umfassendes Gestaltungskonzept, für das Architekt, Innenarchitekt und Lichtdesigner Raffaele Maier von rmg • studio auch die Koordination übernahm. Nach der ersten Bestandsaufnahme waren sich alle einig: Dieses Tattoo-Studio sollte sich vom Mainstream-Image anderer Studios deutlich abheben.
Da der am Projekt beteiligte Freundeskreis stark in der Streetart-, Kunst- und Graffiti-Szene verwurzelt ist, sollte den Räumen ein urbaner und dennoch designorientierter Charakter verliehen werden. Gemütlich sollte es sein, aber auch roh wirken. Wichtig war darüber hinaus, den Local-Artists (Stamm-Tätowierern) und einem zeitweise mitwirkenden Guest-Artist (Guest Spot) angemessene Arbeitsbereiche anbieten zu können. Es galt zudem im Eingangsbereich, rund um den neuen Empfangstresen, passende Präsentationsflächen für die neben der Tattookunst angebotene Streetwear und den Apparel-Bereich zu schaffen. Als Leitidee diente das Bild eines Fineline-Tattoos, bei dem besonders filigrane schwarze Formen und Muster in die Haut gestochen werden. Übersetzt hat Raffaele Maier das Bild in rohe Betonflächen und schwarz-weiß gehaltene Kubaturen und Körper, die den Raum zonieren. Auch das für ein Tattoo-Studio elementar wichtige Beleuchtungskonzept lehnt sich in seiner Formensprache an das Thema „Fineline“ an: Die LED-Lichtlinien sind einerseits auf jeden Arbeitsplatz ausgerichtet und scheinen andererseits in den freien Bereichen aus der Reihe zu tanzen. Maßgeblich für die optimale Arbeitsumgebung des Tätowierens ist sowohl die Lichtstärke, als auch der Farbwidergabeindex, der sogenannte CRI (Colour Rendering Index). Unterstützt werden die Lichtlinien von Spots, die hauptsächlich die an den Wänden präsentierte, einzigartige Streetart in Szene setzen. Intarsien in Eiche kontrastieren als „wärmendes“ Pendant zum „rohen“ Betonkleid, ergänzt durch ausdrucksstarke Artworks Karlsruher Streetart Künstler. Die Bausubstanz aus den späten 1970er-Jahren zeigte keine nennenswerten „Stolpersteine“. Entsprechend hindernisfrei gestaltete sich der Ausbau, zumal er sich an vielen Positionen der bestehenden Anschlüsse hält und Details direkt vor Ort abgestimmt und unmittelbar umgesetzt wurden. Allerdings mussten die Wände, Decken und Böden bis auf den Rohbeton – teils durch Trockeneisreinigung – von allen bestehenden Schichten befreit werden, um das rohe „Canvas“ freizulegen. Anschließend wurden die Massivwände schutzlackiert und die Leichtbauwände als Holzständerwerk verspachtelt und gestrichen. Geplant und realisiert wurde der Ausbau in nur zwei Monaten.
Fotos:
Nikolay Kazakov
www.kazakov.de
(Erschienen in CUBE Stuttgart 03|24)