Vater und Sohn
Um Sankt Konrad von Gottfried Böhm spannt sich ein neuer Platz von Paul Böhm auf
In den Jahren 1953/54 entwickelte der Kölner Architekt Gottfried Böhm (1920–2021) die Entwurfsplanungen für die Kirche Sankt Konrad in Neuss-Gnadental. Der damalige Rektoratspfarrer Peter Richrath hatte den „Mut zu etwas Neuem“ gefasst – und bekam es auch: 1955 wurde das nahezu quadratisch geschnittene Kirchenschiff realisiert, dessen architektonische Struktur von vier Zweigelenkrahmen aus Stahlbeton und einem darüber gewölbten Pultdach bestimmt ist. Die mit einem roten Ziegelstein ausgefachten Längsfronten und die bis um die Ecken herumgeführten volltransparenten Glasfassaden lassen das Gebäude von außen wie eine leichtfüßige moderne Werkhalle erscheinen. Erst wenn man eintritt, entsteht der Eindruck eines geschwungenen Festsaals, der vis-à-vis des Zugangs von der raumhoch ausgebildeten Glaswand mit einer paradiesisch anmutenden kolorierten Blütenglasmalerei bestimmt wird – mit der davor schwebenden, grazilen Silhouette des Sichtbeton-Altars.
Direkt an der Ostseite der Kirche, wo sich eine kleine Sakristei befindet, schlossen sich jahrzehntelang Pfarrhaus und Kindertagesstätte der Gemeinde an. Um die eingeschränkten finanziellen Ressourcen der Gemeinde zu optimieren, sollte beides durch einen Ersatzneubau modernisiert werden und ein anderer Teilbereich des Grundstücks für Wohnnutzungen veräußert werden. Den Architekturwettbewerb konnte 2012 Paul Böhm (geb. 1959) für sich entscheiden. Im Laufe des langwierigen Planungsprozesses überarbeitete der Kölner Architekt und Sohn von Gottfried Böhm den Entwurf allerdings so, dass aus einem einzigen großen Baukörper ein Ensemble von fünf eingeschossigen Einzelbaukörpern entstand. Mit ihrer roten, bis in die Walmdächer hineingeführten Ziegelästhetik treten sie in den Dialog mit dem Bestand. Durch die Baukörper der bestehenden Kirche, dem neuen, in Dachneigung und Höhe besonders betonten Pfarrsaal, dem Kindergarten und dem vorhandenen vertikalen Kirchturm wird ein öffentlicher Platzraum definiert, der einladend wirkt und Offenheit wie Geborgenheit bieten soll. Die vom Kirchengebäude separierte, mit einem Kupferdach überwölbte Taufkapelle wird in diesem Platzgefüge noch stärker als vorher freigestellt, ihre Bedeutung im Ensemble zusätzlich unterstrichen. Eine in das Pflaster eingelassene orthogonale Struktur stärkt diesen Zusammenhalt der Gebäude zusätzlich, ist wohl aber auch als eine Referenz an das römische Militärkastell Novaesium zu lesen, dessen Reste als Bodendenkmal unter den Neubauten gesichert wurden.
(Erschienen in CUBE Düsseldorf 03|22)