New Work – Aufbruch 4.0
Das Büro wird viel mehr sein als ein Platz zum Arbeiten
„Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ (Albert Einstein). Zunehmend besser informierte Kunden, der Fachkräftemangel sowie höhere Ansprüche, die gerade potenzielle Kandidaten der jüngeren Generationen an Arbeitsumfeld und -modell stellen, würden diesen Wahnsinn untermauern. Es ist kein Novum mehr, dass neue technologische Möglichkeiten und projektorientierte Prozesse einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie wir arbeiten. Die „Mein Tisch, mein Arbeitsplatz“-Mentalität ist einer prozessorientierten „Eine Aufgabe, ein Arbeitsplatz“-Haltung gewichen. Die Aufgabe ist aber nicht der alleinige Faktor, der unsere Entscheidung für den idealen Arbeitsplatz beeinflusst. Antworten liefert eine eingehende Analyse der drei „W-Fragen“: Wo möchte und kann ich meine Aufgabe erledigen? Wie möchte bzw. muss ich meine Aufgabe erfüllen, etwa mit Hilfe von Technologien? Und mit wem arbeite ich an der Aufgabe, allein oder in der Gruppe? Betrachtet man alle Faktoren inklusive der individuellen Befindlichkeiten und fügt diese zusammen, entsteht so der für das entsprechende Bedürfnis optimierte Arbeitsplatz. Das gilt sowohl für den einzelnen Tätigkeitsbereich, als auch übergeordnet für ganze Landschaften, Etagen bis hin zu Organisationen. Die Herausforderung besteht also darin, den kaum zu erreichenden Idealzustand mit den reellen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Unternehmen zu verbinden. Ein sehr komplexer Gedanke – größtmögliche Flexibilität und Individualisierbarkeit kombiniert mit gestalterischer Konsistenz.
Diesen Konzeptansatz schreibt sich die internationale Leitmesse für Office und Objekt „Orgatec“ mit ihrem Motto „Arbeit neu denken“ auf die Fahnen. Wie sieht das Büro der Zukunft aus und wird es überhaupt noch eins geben? Wie leben und arbeiten wir morgen und welches Umfeld brauchen wir, um Kreativität und Potenzial optimal zu entfalten? Unter den Kategorien Konnektivität, Mobilität, Sharing, Globalisierung, Wohlbefinden, Multifunktion und Flexibilität möchte das Messekonzept tiefer in die Fragestellungen eintauchen und die Hersteller auffordern, ganzheitliche Ansätze für das Arbeiten in der Zukunft aufzuzeigen. Sicher schielen dabei einige Firmen zu Technologieunternehmen aus dem Silicon Valley. Diese verstehen das Thema als Kommunikationsinstrument und zentrales Element der Workforce Strategie. Die Basis bilden Tiefeninterviews mit Personal und Facility Managern, wie sie bei der Gestaltung von Arbeitsräumen auf die Vorstellung ihrer jungen Belegschaft eingehen.
Seit einiger Zeit haben auch deutsche Unternehmen den Faden aufgenommen. Unter der Einführung von New Office-Konzepten beginnt ein sukzessiver Paradigmenwechsel, der weg von klassischen Raum- und Arbeitsstrukturen hin zu völliger Flexibilität und Mobilität führt. Wertschöpfung ist heute eben keine Frage der Präsenzkultur mehr. Doch die Erkenntnis setzte sich schnell durch, dass es um mehr als die Eröffnung von Flächen, einer Espressobar oder die Ausstattung von Arbeitsräumen mit farbigen Sofas, Kickertischen und trendigen Büromöbeln geht. Vielmehr gilt es, für jeden Unternehmensbereich zunächst zu prüfen, wie durch Bürogestaltung Aufgaben und Arbeitsprozesse besser unterstützt werden können, um dann passende Arbeitsszenarien zu realisieren. „Dies erfordert einen strategischen und vor allem konsequenten Wandel der Unternehmenskultur“ so die Workplace- und Designexpertin Jennifer Mertens von der merTens AG.
Die Werkzeuge der Raumgestaltung – das Mobiliar, sind schon einen Schritt weiter. Aktuelle Produkte halten intelligente Lösungen für die geforderte Flexibilität bereit. Wandelbare und unterschiedlich verwendbare Möbel bieten neue Möglichkeiten für die Ausstattung von Objekten. Schränke und Regale sind mit wenigen Griffen anpassungsfähig, Sessel und Sofas werden zum Sitzen, Liegen, Relaxen und als akustischer Rückzugsort kombiniert. Oberflächen und Farben sind variabel einsetzbar und machen aus einem Entwurf viele Gestaltungsmöglichkeiten. Zu wahren Verwandlungskünstlern gehören modulare Möbel oder -systeme. Aufeinander abgestimmte Elemente ermöglichen bei diesen Produkten zahlreiche Kombinationen für wechselnde Anforderungen. Bei multifunktionalen Möbeln kann nicht nur die Form, sondern auch der Gebrauch variieren. So wird z. B. aus einem Wandregal mit einfachen Handgriffen ein Raumteiler oder ein Sideboard. Der Benutzer selbst bestimmt über die Funktion und Wahrnehmung des Möbels. Bei den meisten Bürokonzepten ist jedoch auffällig, dass sowohl Raum- als auch Möbelgestaltung der wohnlichen Atmosphäre sehr nahe kommt, sogar teilweise kaum noch davon zu unterscheiden ist. Man nennt diesen Trend auch Arbeitswohnen, der die Intension des Wohlfühlgedankens verfolgt und weiter gespult, auf eine gesundheitliche Ebene – dem Healthy Office – hebt. Dabei zielt diese Strategie nicht darauf ab, einen Feel-Good-Manager zur Seite zu stellen. Eine Lösung sind spezielle Relax-Kabinen für den Rückzug, um eine individuelle Balance zwischen Einzel- und Gruppenarbeit zu gewährleisten. Denn Privats-phäre bedeutet keineswegs die Wiedereinführung exklusiver Einzelbüros, sondern soll im Kern dem Bedürfnis nach Ungestörtheit und Kontrolle von Außenreizen gerecht werden.
Als eine der Megatrends in der Arbeitswelt ist die nächste Stufe globaler Vernetzung und Digitalisierung auszumachen. Die Auswirkungen haben schon begonnen und diese Welle ist nicht mehr aufzuhalten. Jedes Unternehmen muss die Entwicklungen nicht nur verfolgen und mitgestalten, sondern kann bei professioneller Beratung (noch) eine Vorreiterrolle spielen. Im Auftrag einer von Ricoh Europe durchgeführten Studie erwarten mehr als die Hälfte, dass ihnen der Arbeitgeber innerhalb des nächsten Jahrzehnts touch-basierte interaktive Geräte, Geräte mit Spracherkennung und Augmented-Reality-Brillen zur Verfügung stellt. Letztere ist fähig, einen Raum in Echtzeit und 3D zu scannen und erleichtert Arbeitsprozesse in bestimmten Bereichen deutlich. David Mills, CEO von Ricoh Europe: „Es ist aufregend, dass die nächsten beiden Jahrzehnte Innovationen hervorbringen werden, die nicht nur die Produktivität und den Wettbewerb steigern, sondern auch die Mitarbeiter inspirieren, darüber nachzudenken, was als Nächstes kommt und wie sie damit effektiver arbeiten können. Das verstärkt die Anforderung an Unternehmen, ihre traditionellen Arbeitsstile zu überprüfen und anzupassen, um flexibler zu werden und die Vorteile künftiger digitaler Innovationen nutzen zu können. Für einige bedeutet das eine Kulturänderung, für alle bedeutet das, dass sie sich in den nächsten 20 Jahren und darüber hinaus weiterentwickeln müssen. Wer weiß, vielleicht werden virtuelle Vertreter Mitte des Jahrhunderts die neuesten Systeme und Prozesse einführen, während wir daran arbeiten, die Produktivität, den Kundenservice und die geschäftliche Rentabilität auf eine Weise weiterzuentwickeln, die wir uns noch nicht einmal vorstellen können.“ Welche Unternehmen sich bereits auf die sich ändernden Marktgegebenheiten einstellen, wird die kommende Orgatec deutlich zeigen.