Talent Intuition Berufung

Gisbert Pöppler ist sehr gefragt, wenn es um ungewöhnliche Interieurs geht

CUBE: Herr Pöppler, Ihr Atelier und Ihr Showroom befinden sich an einem geschichtsträchtigen und denkmalgeschützten Ort – in der ehemaligen Karl-Marx-Buchhandlung. Wie kam es dazu? 

Gisbert Pöppler: Wegen eines großen Umbaus mussten wir aus unserem alten Büro in Kreuzberg raus. Während der Suche nach einem neuen Atelier wurde uns klar, dass wir künftig nicht nur ein Office, sondern auch einen Showroom für unsere Möbelkollektion haben wollten. Einen Großteil unserer Designs haben wir über die vergangenen zehn Jahre entwickelt und nun war es an der Zeit, sie endlich in einem entsprechenden Rahmen zu zeigen. Auf die Buchhandlung in den alten, so genannten Zuckerbäcker-Bauten auf der Karl-Marx-Allee bin ich relativ banal gekommen: über eine Anzeige auf Immoscout. Es stellte sich allerdings heraus, dass es gar nicht so leicht ist, diese denkmalgeschützten Räume mit den vielen hölzernen Bücherregalen zu bespielen. Sie sind sehr dominant. Wir brauchten fast anderthalb Jahre, um uns hier zurecht zu ruckeln.

Sie verwandelten eine sanierte Villa aus den 30er-Jahren in ein Farbenmeer. Was bedeutet Ihnen das Spiel mit den Farben?

Das Spiel mit Farben ist ein vielschichtiger Prozess, der weit über bloße Ästhetik hinausgeht. Für uns geht es darum, Räume durch Farben lebendig zu machen und ihre Dimensionen stärker hervorzuheben. Jede Farbauswahl hat dabei eine spezifische Funktion, die sich oft aus dem Raum selbst und den Bedürfnissen des Kunden ergibt. Wir analysieren die äußeren Gegebenheiten, wie die Himmelsrichtung, die Lichtverhältnisse und die Architektur und fragen, wie der Raum genutzt werden soll. Nicht zu vernachlässigen ist dabei natürlich der persönliche Geschmack unserer Kund:innen. Ein Farbkonzept soll die Menschen, die in ihm leben, nicht bevormunden.

Sie stellen auch sehr hohe Ansprüche an die Qualität der verwendeten Materialien.

Wir sind immer neugierig, neue Materialien zu finden, die dann für ein bestimmtes Projekt geeignet sind. Zum Beispiel haben wir in der eben erwähnten Villa in Hagen einen wunderschönen Terrazzo-Boden eingesetzt, den wir mit einem Terrazzo-Bauer individuell entwickelt haben. Diese Materialauswahl hatte allerdings nicht nur ästhetische, sondern auch funktionale Gründe: Die Kunden haben zwei aktive Hunde und einen Teich auf dem Gartengrundstück. Also kamen weder Marmor noch Teppich in Frage – selbst ein Parkett erschien uns hier zu empfindlich. Bei der Planung von Badezimmern wiederum raten wir oft von empfindlichem, offenporigen Naturstein ab. Hier lieben wir Marmor. Für manche Projekte fahren wir direkt in die großen Steinbrüche nach Italien und kaufen dort ganze Blöcke eines Steins, aus dem wir dann Waschbecken, Wandvertäfelungen und den Boden machen. In einer Manufaktur am Stadtrand von Kathmandu in Nepal lassen wir unsere Bettüberwürfe aus feinstem Kaschmir von Hand weben. Um die Übergrößen herstellen zu können, wurde dort für uns ein eigener Webstuhl gebaut. Uns interessiert immer die Qualität, aber auch die Verarbeitung des Materials. Da kommt es dann auf das Handwerk an. Nicht jeder hat die Fähigkeit, aus einem guten Material auch das Optimum herauszuholen. 

Sie sind ursprünglich Architekt, haben sich dann aber für die Gestaltung von Innenräumen entschieden. Warum?

Das kam durch ein Büro, in dem ich als freier Mitarbeiter gearbeitet habe vor rund 30 Jahren. Dort wurde Architektur gemacht, aber auch Innenarchitektur auf einem sehr hohen Niveau. Das hat mich interessiert.

Sie sind zusätzlich auch ins Design-Segment gegangen. Oft entwerfen Sie auch die Möbel selbst. 

Zunächst haben wir nur ab und an mal einen Tisch, ein Sideboard oder einen Schrank gestaltet, immer dann, wenn wir auf dem Markt nicht genau das fanden, was wir suchten. Fast nebenbei wurde unser Portfolio so immer größer. Sehr geholfen hat uns bei der Entwicklung Norbert Schien, ein guter Freund, der für das renommierte Büro „Studio Putman“ in Paris arbeitet. Norbert hat mich mit den wichtigsten Kontakten zu den besten Produzenten in ganz Europa versorgt. So sind wir zum Beispiel auf den Polsterer in Paris gekommen, Alexandre Phelippeau. Ich nenne ihn immer einen Haute-Couture-Polsterer. Über eine Manufaktur auf Sizilien lassen wir Tische aus glasiertem Lavastein fertigen und der aufwändig furnierte Holztisch, an dem wir gerade sitzen, wurde von einem Tischler in Würzburg hergestellt. 

Was sind die Zutaten Ihrer Begabung? Geschmack, Intuition, Stilsicherheit, Handwerk? Was kommt da alles zusammen?

Den Begriff „Intuition“ finde ich ziemlich wichtig, weil er oft unterschätzt wird. Intuition ist dabei nicht gleichbedeutend mit Gefühl. Intuition beinhaltet mehr. Es ist die Fähigkeit zur Analyse. Wenn ich ein Projekt das erste Mal gemeinsam mit den Kunden anschaue, lasse ich nicht nur den Raum auf mich wirken, sondern versuche auch ein Gespür für den Kunden und für seine Erwartungen zu entwickeln. Gerne nehme ich solche Termine zusammen mit einem Kollegen zu zweit oder zu dritt wahr. So können wir hinterher besser über das Projekt sprechen.

Sie sind heute im Premium-Segment tätig. Aber so hat es ja nicht angefangen. Wie lange gibt es Ihr eigenes Unternehmen schon? 

Seit 2004. Vorher, während des New-Economy-Booms haben wir viele Büros ausgebaut. Als die Blase dann platzte, haben wir uns neu orientiert und uns mehr und mehr um kleine Projekte im Privatbereich gekümmert. In dieser Zeit habe ich meine Leidenschaft für das Handwerk, die Liebe zum Detail und zu besonders anspruchsvollen Kund:innen entwickelt.

Eine steile Kurve, möchte man meinen. 

Ich weiß nicht, ob die so steil ist. Vielleicht eine stetige.

Eines der Highlights Ihres Schaffens war vermutlich „Between Time“ in 2013. Was war das für ein Projekt? 

Das war die Idee in Deutschland zu zeigen, was Interior Design sein kann – noch sein kann. Ohne die immer gleichen üblichen Verdächtigen, die man in dem Markt bereits lange kennt. In Italien fand ich Azucena, eine Firma die es heute leider nicht mehr gibt, auch der Stoffhersteller Dedar war begeistert dabei, genau wie ein Händler, der mit alten chinesischen Teppichen handelt – und viele mehr. Alles, was wir gezeigt haben, war besonders. Auch der Raum in der Wallstraße, in einem Haus von 1870, in dem sich einst eine Eisenwarenhandlung befand. Die Architektur des Raumes, insbesondere die gusseisernen Stützen und Geländer, haben wir bewusst in das Konzept integriert, was der Ausstellung einen ganz eigenen Charme verlieh.

Was war bisher das herausforderndste Ihrer Projekte?

Wahrscheinlich war das der Umbau der Grafischen Sammlung im Städelmuseum in Frankfurt. Die Sammlung bewahrt über 100.000 Zeichnungen und Druckgrafiken vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart auf. Von Dürer über Raffael und Rembrandt bis zu Arbeiten von Max Beckmann und dem deutschen Expressionismus. Der Ort funktioniert ähnlich wie eine Bibliothek. All die herausragenden Kunstwerke können sich interessierte Besucher:innen aus den Archiven kommen lassen und sie in aller Ruhe anschauen. Hierfür mussten wir den passenden Rahmen schaffen. Gleichzeitig sollte der Ort Platz für abertausende Bücher mit Fachliteratur bieten. Weil der Raum sehr hoch ist, haben wir vorgeschlagen, eine Galerie einzubauen und die Bücher in hängende Regale unterzubringen, die Christoph Münks, ein Metallbauer aus Meerbusch, für uns hergestellt hat.

Was sind Ihre zukünftigen Pläne und Projekte?

Die kommen hoffentlich immer schön auf uns zu. Wir haben das Glück, dass wir immer neue spannende Anfragen auch „out of the blue“ bekommen. Viele Kund:innen haben über uns in der Presse gelesen, Fotos von Projekten gesehen, die sie spannend fanden oder Freunde empfehlen uns und unsere besondere Arbeitsweise weiter.

Alles Gute weiterhin und vielen Dank für das Gespräch, Herr Pöppler!

 

Gisbert Pöppler

Gisbert Pöppler studierte Architektur am California College of Arts and Crafts in San Francisco und an der Technischen Universität Berlin, wo er 1996 mit einem Diplom als Ingenieur abschloss. Nach seinem Studium arbeitete er mehrere Jahre für verschiedene Unternehmen in Berlin und entwickelte neue Architekturprojekte nach der deutschen Wiedervereinigung. 1999 gründete er zusammen mit der Architektin Ilona Prinz das Büro Prinz–Pöppler, das Büroeinrichtungen für Start-ups in Berlin entwarf. Seit 2004 arbeitet Gisbert Pöppler unabhängig und bietet umfassende Designlösungen für gewerbliche und private Kund:innen an. Sein Studio und Showroom in Berlin kombiniert Architektur, Innenarchitektur und maßgeschneiderte Möbel. Er legt großen Wert auf die Verbindung von Tradition und Moderne und schafft harmonische Hybride mit unerwarteter Eleganz oder farbenfrohe Raumgestaltungen.

(Erschienen in CUBE Berlin 03|24)

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