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Blick hinter die Kulissen

Von Geschmackswächtern, Fliesenformaten und Werftgesprächen

CUBE: Ihr Innenarchitekturbüro cm-Design besteht seit 15 Jahren. Sie haben vor allem zahlreiche... mehr

CUBE: Ihr Innenarchitekturbüro cm-Design besteht seit 15 Jahren. Sie haben vor allem zahlreiche Hotels und Gastronomieprojekte an den schönsten Orten Europas realisiert. Wie kam es zu dieser Ausrichtung?
Ralf Claussen: Meine Geschäftspartnerin Karin Matthiesen und ich haben uns kennengelernt, als wir für das Büro Jöhnk, heute JOI Design, arbeiteten. Dort haben wir vorwiegend Hotellerie und Gastronomie gemacht. Als wir dann 2000 unser eigenes Büro gründeten, sind wir bei dieser Kernkompetenz geblieben. Relativ schnell ergab sich der Kontakt zu TUI und wir haben die ersten Hotelprojekte für das Unternehmen gemacht.

Wenn man ein Kreuzfahrtschiff als schwimmendes Hotel sieht, war das also ein logischer Schritt vom Land aufs Wasser?
Ja, durchaus, die Funktionen sind sehr ähnlich. Es gibt mit Rezeption, General-Manager, Restaurant, Bars und Wellness die gleiche Struktur. Ein großer Unterschied ist allerdings die Zugänglichkeit. In ein Hotel an Land kann jeder hinein spazieren, sich in der Lobby entspannen oder einen Drink an der Bar nehmen, aber ein Schiff ist erst mal „Ausland“. Durch hohe Sicherheitsauflagen kommt man heute nur nach vorheriger Anmeldung und Identifikation auf ein Kreuzfahrtschiff.

Seit 2008 haben Sie vier Kreuzfahrtschiffe für TUI Cruises ausgestattet, die „Mein Schiff“ 1 bis 4. Können Sie uns den Ablauf der Gestaltung eines Kreuzfahrtschiffes einmal genauer beschreiben?
Bei einem Neubauprojekt dieser Größe verteilen die Eigentümer die Verantwortlichkeit für das Design auf mehrere Schultern. Wir bekommen zuerst von den Fachabteilungen der Reedereien sogenannte Venue Briefs: Wann geöffnet, wieviel Sitzplätze, was findet statt, Entertainment ja/nein, Grundvorstellung Ambiente. Mit diesen inhaltlichen Vorgaben und den räumlichen Vorgaben aus der Gesamtplanung des Schiffes – dem Grundriss eines Gebäudes vergleichbar – beginnt die Arbeit der Innenarchitekten, die je nach Neigung und Stärken verschiedene Bereiche bearbeiten. Mit Skizzenpapier und Computer, Recherchen, Stimmungsbildern und Materialien entwickeln wir erste Grundrisse und Gestaltungen. Alle sechs Wochen präsentieren die Innenarchitekten in einem Gremium ihre Ideen. Über sechs bis acht Monate wird immer weiter vertieft und detailliert. Zu bestimmten Abgabeterminen werden Grundrisse, Ansichten und Deckenpläne erstellt. Zwei Monate später geben wir dann die Colours & Materials-Pläne ab, die die Werft fachlich prüft und kostenmäßig bewertet. Und dann beginnt das "Hauen und Stechen" um all die Dinge, von denen die Werft meint, dass sie weit über dem liegt, was sie eigentlich liefern muss und wir Innenarchitekten meinen, dass es für das Design elementar ist und gar nicht so viel kostet. Danach baut die Werft das Schiff. Regelmäßig fahren wir dann nach Finnland und machen Begehungen.

Wie koordinieren sie die unterschiedlichen Design/Innenarchitekturbüros und Werkstätten, die an dem Bau eines Schiffes beteiligt sind?
Als es mit der „Mein Schiff“ 1 losging, war cm-Design das einzige deutsche Büro neben vielen amerikanischen Büros. Amerikanische Büros deshalb, weil TUI Cruises ein Joint Venture von TUI und der amerikanischen RCCL ist, diese stellte zu Beginn die gesamte Projektstruktur und brachte ihre Designbüros mit. Herr Vogel, der damalige CEO von TUI Cruises, erkannte, dass ohne einen deutschen Innenarchitekten ein Produkt für den deutschen Markt nicht erfolgsversprechend zu realisieren ist. Dann hat man uns gefragt und uns von Anfang an – obwohl wir vollkommene Anfänger im Kreuzfahrtschiffbereich waren, auch den Look & Feel-Auftrag erteilt. Wir sitzen also bei allen Präsentationen aller beteiligten Büros mit am Tisch. Wir prüfen, ob die Entwürfe zusammen passen und dem Gesamtkonzept des Schiffes entsprechen. Unsere Rolle ist die des „Geschmackswächters“.

Sind alle Schiffe gleich oder setzen Sie auf jedem Schiff eine neue Idee um?
Sowohl als auch. Bevor wir die „Mein Schiff“ 4, das Schwesterschiff von „Mein Schiff“ 3 planten, waren die vertraglichen Regelungen für Änderungen festgelegt. Dabei gibt es unterschiedliche Änderungsarten, die einfachste wäre: in manchen Bereichen machen wir einen Dekor-Change, zum Beispiel aus grün wird blau, aber Wand, Sessel, Leuchte sind absolut identisch. Die nächste Stufe ist ein Themen-Change, da wird aus dem mediterranen Restaurant ein skandinavisches bei Beibehaltung aller Wände, Deckenstrukturen, Bodenbeläge. Und die dritte, höchste Stufe wären Layout-Changes, da werden Wände versetzt, Tresen neu geformt u.ä. Die TUI Bar, für alle Schiffe von zentraler Bedeutung, ist auf „Mein Schiff“ 3, 4 und 5 identisch, was wir aber von Schiff zu Schiff ändern, sind die Kunstwerke sowie die Akzentfarbe, die wiederum Bezug nimmt auf die sich ändernden Farben der Rezeption. Auch die Kabinen sind vom Design unverändert, einige Dinge werden aber an die Bedürfnisse der Passagiere besser angepasst. Das Nachfolgeschiff soll dem vermeintlich älteren Schiff ja nicht das Wasser abgraben, weil da alles noch viel toller ist, da gilt es die richtige Balance zu finden.

Wenn man sich in Ihrem Büro umblickt, sieht man ganz viele Muster, Proben und Materialien. Nehmen Sie die auch mit an Bord, um den Eindruck unter den dortigen Größen- und Lichtverhältnissen zu überprüfen?
Genau. Das ist ja unsere ursprüngliche Aufgabe als Innenarchitekten, mit dieser Fülle von Materialien umzugehen und sie an das jeweilige Objekt angepasst einzusetzen. Wir erstellen Materialcollagen mit allen von uns ausgesuchten und spezifizierten Materialien als Originalmuster. Die Werft überprüft sie gemäß den IMO-Standards. Auf einem Schiff gelten besondere Vorgaben durch die nötigen Zertifizierungen, beispielsweise bezüglich der Entflammbarkeit. Viele Materialien aus dem Hotelbau können auf einem Schiff nicht eingesetzt werden.

Spielt auch das Gewicht von Materialien eine Rolle?
Ja, eine sehr große. Wenn irgendwo in den Plänen Naturstein auftaucht, werden alle gleich nervös. Großen Einfluss auf das Design haben neben dem Gewicht auch Materialstärken, Restriktionen gibt es zum Beispiel auch bei den Formaten von Bodenfliesen oder Wand- und Deckenverkleidungen. Diese werden zum Teil direkt auf die Stahlkonstruktionen geklebt und sind der Torsion des sich bewegenden Schiffskörpers ausgesetzt. Größere Formate oder nicht ausreichende Elastizität reißen oder brechen dann einfach und scheiden dadurch von vornherein aus.

Gibt es weitere Herausforderungen, die das Schiff als schwimmendes Hotel von Landprojekten unterscheiden?
Die Raumsituation ist ganz anders. Wir müssen mit viel niedrigeren
Deckenhöhen und insgesamt reduziertem Platzangebot auf sehr kompakter Fläche arbeiten. Das spornt uns aber an, auch unter diesen eigentlich widrigen Bedingungen etwas Schönes zu erschaffen, zumal wir auch
wissen, dass TUI viele Stammgäste und „Wiederholer“ hat, die schon in
den Hotels dieser Welt unterwegs waren und entsprechende Ansprüche haben.

Hatten Sie für die Kabinen eine richtig gute Idee?
Also, die Kabinen auf „Mein Schiff“ 3, 4 und 5 sind sensationell! Wir wollten uns völlig von den üblichen Gestaltungen auf Kreuzfahrtschiffen lösen, wie Kirschholzlaminat oder rote Teppiche. Zu unserer Vorstellung von Wohlfühlen passte das nicht. Deshalb haben wir die „Homing“-Idee kreiert: Statt dem üblichen Kunstdruck über dem Bett hängen wir vier Bilder über das Sofa – mit ganz unterschiedlichen Rahmen, Formen und Stilen, so wie man es auch zu Hause machen würde, wenn man ein nettes Bild auf dem Flohmarkt gefunden hat. Die Kissen sind alle unterschiedlich, wie zusammengesucht, als ob sie über die Jahre lieb gewonnen und immer mal ergänzt wurden. Das war die Leitidee, die wir dann in Zeichnungen vorgestellt haben. Zuerst waren alle skeptisch, insbesondere die amerikanischen Miteigner konnten sich das gar nicht vorstellen. Dann haben wir zwei Musterzimmer auf der Werft gebaut, eins in abgeschwächter Form und eins in konsequenter Durcharbeitung unserer Idee. Das hat komplett überzeugt und heute wissen wir durch die durchgeführten Zufriedenheitserhebungen, dass die Zustimmung der Passagiere zu den Kabinen konstant bei 96 Prozent liegt. Mittlerweile wird dieses Konzept sogar von anderen Reedereien in Teilen kopiert.

Wie wohnen denn eigentlich der Kapitän, die Köchin und der Matrose auf den Schiffen?
TUI Cruises hat beim Bau von „Mein Schiff“ 3 entschieden, die Crew-Bereiche nicht wie sonst üblich von der Werft erstellen zu lassen, sondern uns beauftragt, auch die gesamten Kabinen, Aufenthaltsräume und Freizeitangebote für die Crew zu gestalten. Der Kapitän als höchste Instanz auf dem Schiff hat ein Wohnzimmer mit Essbereich und ein separates Schlafzimmer, Bad und Gäste-WC auf ca. 47 m2. Das Design entspricht dem der Junior-Suiten. Die leitenden Offiziere haben ähnliche, etwas kleinere Kabinen, aber auch auf den oberen Decks. Alle anderen sind dann auf Deck 1 und 2 untergebracht, je nach Rang in Einzel- oder Doppelkabinen, in zwar räumlich reduzierter, aber durchdachter, frischer Form.

Was inspiriert Sie? Reisen Sie ständig, um Hotels anzuschauen und Kreuzfahrtschiffe auszuprobieren?
Nein, da ich beruflich schon viel unterwegs sein muss und hier im Büro auch direkt in die Projekte eingebunden bin, hätte ich dazu auch gar keine Zeit. Aber heute ermöglicht das Internet uns ja virtuelle Reisen, zeigt Trends und weltweite Einrichtungsstile ohne persönlich vor Ort sein zu müssen. Solche Bilder und Berichte inspirieren uns, nichtsdestotrotz ist bei privaten Städtereisen eindeutig der Fokus auf Innenarchitektur und Architektur.

Haben Sie persönlich einen Lieblingsort auf dem Schiff?
Das Herzstück des Schiffes, die TUI Bar. Sie ist seit „Mein Schiff“ 1 bis zum in Planung befindlichen „Mein Schiff“ 6 fest in der gestalterischen Hand von cm-Design und zeigt unsere Designhaltung. Darüber hinaus sind meine Lieblingsplätze die Außendecks, für mich ist es wichtig, auch zu spüren, dass man eben nicht in einem Hotel ist, sondern auf einem Schiff. Achtern sitzen, den Wind spüren und ein kühles Bier trinken, das gefällt mir.

Herr Claussen, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Bettina Schön.

Ralf Claussen geboren 1962 in Nordfriesland, leitet zusammen mit Kathrin Matthiesen das Büro... mehr

Ralf Claussen

geboren 1962 in Nordfriesland, leitet zusammen mit Kathrin Matthiesen das Büro cm-Design in Hamburg.

Kathrin Matthiesen studierte nach Schule und kaufmännischer Ausbildung Interior Design in London, Ralf Claussen absolvierte nach der Tischlerlehre ein Innenarchitekturstudium in Detmold. Nach langjähriger Tätigkeit in Führungspositionen im Bereich Innenarchitektur und Design gründete er im Jahre 2000 zusammen mit Kathrin Matthiesen cm-Design. Das Büro hat heute elf feste und vier freie Mitarbeiter und ist europaweit vor allem im Bereich Hotel, Wellness und Gastronomie erfolgreich tätig. Seit 2008 sind die Innenarchitekten bei der Innenausstattung aller Kreuzfahrtschiffe der TUI Cruises maßgeblich beteiligt.

Fotos:

Ralf Claussen

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