Überraschende Momente
In Potsdam residiert eine Innovationsagentur in einem spannungsreich gestalteten Loft
Potsdam ist bekanntlich überaus reich an Historie. Auch das Bauensemble, in dem sich das von den Designern Tesseraux und Partner ausgebaute Loft befindet, hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Das Gebäude in der Hegelallee 53 wurde 1785 vom Architekten Johann Rudolf Heinrich Richter erbaut, der von König Friedrich Wilhelm II. 1787 zu seinem Hofbauinspektor ernannt wurde und in Potsdam eine beträchtliche Anzahl von Bürgerhäusern gebaut hat. 1891 übernahm die Druckerei Edmund Stein das Gebäude und veranlasste den Umbau zu einem Verlagsgebäude.
Nach dem Krieg ging das Gebäude durch die Hände verschiedener Eigentümer. In der ehemaligen Druckerei befindet sich heute ein Showroom der Hedwig Bollhagen Keramik Werkstätten. Das darüber liegende Loft im ersten Stock – die ehemalige Setzerei, in der die Werke von Schriftstellern wie Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky und Erich Kästner für die bekannte Wochenzeitschrift die „Weltbühne“ in den 1920er-Jahren gesetzt wurden – ist von der Innovationsagentur and dos Santos bezogen. Die Agentur beschäftigt sich inmitten alter Historie mit Innovation und den grenzenlosen Möglichkeiten der digitalen Welt. Die Fläche ist als moderner Open Space gestaltet. Wände, Decke und Boden sind komplett weiß gestrichen und glatt gespachtelt. Der Raum wird so zum leeren Blatt, auf dem neue Ideen entwickelt werden. Die Arbeitsplätze sind ebenfalls neutral gehalten. Für das Interieur in den Markenfarben zeichnet and dos Santos verantwortlich. Die Möbel sind Weiß, die Stühle Schwarz. Mit Stühlen und einem Sofa in Rot erlauben sich die Designer bei den Pausenflächen einen deutlichen Akzent. Einen weiteren Spritzer Behaglichkeit in die ansonsten rational gehaltene Szenerie bringen auch die anthrazitfarbenen Sitzsäcke am Fenster. Eine nicht-moderne Anmutung haben die Sprossenfenster in Naturholz. Ebenso erinnern die Pendelleuchten aus Metall in ihrer Industrieoptik an die alte Zeit der Druckerei. In der neu eingebauten Küchenzeile funktioniert eine Schreiner-Werkbank als Esstisch. Das Holz des Möbels korrespondiert mit dem der Arbeitsplatte der Küche.
Die Mitarbeiter sitzen an der Werkbank auf dem Hocker Lem, entworfen von den japanischen Designern Shin & Tomoko Azumi für Lapalma. Der futuristisch wirkende Designklassiker aus Metall bildet einen spannungsreichen Kontrast zu dem schweren, soliden Handwerkermöbel. Innovation trifft auf Tradition, Hightech auf Handwerk. Die Gegensätze von alt und neu, ebenso von warm und kühl machen das Ambiente des Bürolofts so spannungsreich. Die Anmutung ist nicht eindimensional, sondern wird bereichert durch einige überraschende Momente. Damit landet man wieder bei der Zukunft, die ebenfalls einiges Unvorhersehbares bereithält.
www.anddossantos.com
Fotos:
Tobias Lehmann
Christopher Hackmann
Ricardo dos Santos Miquelino