Kreativ-Carré
Ein Industrieareal wird ergänzt und ins Heute geholt
Man muss in Berlin nicht lange suchen, bis man auf alte Backstein-Industriegebäude stösst. Auch hier, nahe dem Moritzplatz, durchmischten sich einst Gewerbe und pulsierendes Nachtleben. Auch als die Mauer noch stand, war hier reges Leben – und so ist es noch heute. An der Lobeck- und der Ritterstraße befanden sich die bekannten, 1898 gegründeten, Armaturenwerke Bernhard Joseph AG, die später mit der Firma Aqua-Butzke fusionierten. Bis in die 1990er-Jahre blieb der Produktionsstandort erhalten. Hier kommen 125 Jahre Architekturgeschichte zusammen, die sich bis in die Anfänge zurückverfolgen lassen. Die letzte große Verwandlung begann 2017 und dauert bis heute an: Das in Hamburg und in Berlin ansässige Architekturbüro Karsten Groot hat große Teile der alten Anlage umgeplant, saniert, umgebaut und ergänzt. Kein Wunder, dass der Gebäudekomplex ein wenig nach Patchwork aussieht, da zuvor immer wieder angebaut wurde und sich nun teilweise eine neue Schicht über die alte legt. Die Erweiterung und Umwandlung, die drei Bauteile umfasst, beginnt an der Lobeckstraße. Hier steht ein zweigeschossiger Flachbau, ein „Neubau“ aus den 1970er-Jahren, der zwar ursprünglich als Viergeschosser geplant war, aber nie fertig gebaut wurde. Architekt Karsten Groot ergänzte die fehlenden Geschosse, fügte sogar ein weiteres drittes hinzu und schuf so großzügige Büroflächen. Die für die Siebziger typische expressive Farbfassade der Sockelgeschosse wurde wiederhergestellt. Die aufgesetzten Obergeschosse erhielten eine Glasfassade mit Aluminiumlamellen, die so angebracht sind, dass sie Sonnenschutz gewähren. Eine rotorange Luftbrücke über einen Hof hinweg verbindet den Neubau mit dem Altbau mit seiner schönen, gut erhaltenen Innenhoffassade zur Ritterstraße hin. Hier galt es etliche Kriegsschäden zu beseitigen. Das historische Mansarddach wurde instand gesetzt. Unter den strengen Augen des Denkmalschutzes gelang es dem Architekten, eine Dachlandschaft mit vier Hochbereichen an den Gebäudeecken durchzusetzen. In alle Himmelsrichtungen sind nun Dachterrassen angeordnet, die rundum prächtige Blicke auf Berlin ermöglichen. Das dritte Element ist der neue Anbau an der Ritterstraße, ein – wie der Architekt sagt – wuchtiger Stahlbeton-Voll-Fertigteilbau. Es handelt sich um ein schmales Gebäude, das an den historischen Klinkerbau andockt. Die straßenseitige Fassade fällt durch ihre modernen trapezförmigen Fensteröffnungen auf. Heute ist das Aqua-Carré eine moderne kreative Keimzelle, bestehend aus Startups, Ateliers, Büros, Modelabels und einem Tonstudio.
www.karstengroot-architektur.de
Fotos:
Ulrich Schwarz
www.ulrichschwarz.eu
(Erschienen in CUBE Berlin 02|24)