Selbstbewusst und Sensibel
Schulerweiterungsbau im Westend fügt sich in seine Umgebung ein
In der Regel freuen sich Städte nicht gerade über Platzmangel in Schulen. Bei einer Schule im Westend ist das jedoch ganz anders. Denn die I. E. Lichtigfeld-Schule, die wegen Platzmangel einen Erweiterungsbau brauchte, war nach dem Nationalsozialismus, dem Verbot jüdischer Schulen und der Schoa die erste jüdische Schule, die in der Bundesrepublik eröffnete. Im Gründungsjahr 1966 hatte vermutlich niemand zu hoffen gewagt, dass sie eines Tages zu klein werden könnte. Auch ihr Gründer und Namensgeber, der Rabbiner Isaak Emil Lichtigfeld, sprach damals von einem „Experiment“. Den Neubau von HGP Architekten kann man also als Zeichen eines geglückten Experiments deuten. Auch wenn besondere Sicherheitsanforderungen leider unumgänglich sind – die jedoch möglichst unsichtbar integriert wurden.
Das Frankfurter Architekturbüro hat den Neubau für eine dreizügige Grundschule samt Einführungsstufe und rund 330 Schüler geplant. Die Privatschule mit ganztägigem Betreuungsangebot umfasst unter anderem 20 Klassenräume, eine Cafeteria und eine Lernlandschaft in der obersten Etage, in der die flexibel nutzbaren Räume unterschiedliche Lernformen ermöglichen und die Individualität der Lernenden fördert. Das ist umso wichtiger, da die Schule vom Land Hessen mit dem Gütesiegel für Schulen ausgezeichnet wurde, die hochbegabte SchülerInnen besonders fördern.
Damit die Schule mit den umgebenden Gründerzeitbauten ein Gebäudeensemble bildet, sollte der Neubau deren Materialität und Formensprache in moderner Interpretation fortführen. Um das zu erreichen und gleichzeitig im Inneren genügend Volumen zu schaffen, haben die Architekten das Gebäude gestaffelt und die Fassade so gestaltet, dass eine kleinteilige Gliederung entstand. „Der Erweiterungsbau bindet sich selbstverständlich in das Gebäudeensemble ein und reagiert dabei selbstbewusst und zugleich sensibel auf die Umgebung“, sagt der geschäftsführende Gesellschafter und Architekt Markus Leben. Beim Material fiel die Wahl für den Gebäudesockel auf einen robusten, kleinteiligen und unterschiedlich strukturierten Ziegel. Passend zum Konzept der Schule ist er ein Sinnbild für die Individualität, die auch in einer starken Gemeinschaft gut wahrnehmbar ist. Der Mittelteil des Gebäudes besteht aus Putz und Ziegeln und für das obere Staffelgeschoss wählten die Planer Putz in unterschiedlichen Farben und Versprüngen.
Im Inneren verbindet eine Treppe zwischen leicht geneigten Wänden alle Geschosse. Die Architekten haben sich hier von einer Murmelbahn inspirieren lassen, da es sich bei der Lichtigfeld-Schule um eine internationale Schule handelt und Kinder auf der ganzen Welt Murmeln kennen. Durch großzügige Flure gelangen die jungen Menschen in alle Räume. Hier schließlich sorgen bodentiefe Fenster für ausreichend Tageslicht.
Fotos:
Thomas Ott
www.o2t.de
(Erschienen in CUBE Frankfurt 04|21)