Raumzellen zum Hof
Haus Gummersbach von Wolfgang Döring wurde denkmalgerecht erweitert und umgebaut
Fast wirkt es so, als wollte es sich hinter der langen, weiß geschlämmten Mauer verstecken. Kein Fenster weit und breit. Allein die Haustür und die etwas gedrungen über die Außenmauer hinweg schauenden, aufgereihten Oberlichter lassen ein Domizil erahnen. Das Haus Gummersbach liegt nahe des Rheindeichs im Meerbuscher Ortsteil Langst-Kierst. Wolfgang Döring entwarf das Gebäude ab 1965 im ersten Gründungsjahr seines Düsseldorfer Architekturbüros, rund drei Jahre später folgte die Realisierung. Und als wollten sich Lebenskreise schließen, konnte er ein halbes Jahrhundert später auch den denkmalgerechten Umbau miterleben, der 2020 nach einem Eigentümerwechsel notwendig geworden war. Konzipiert und ausgeführt wurde er vom Büro Döring Dahmen Joeressen DDJ, aus dem Döring sich bereits 2018 aus Krankheitsgründen verabschiedet hatte. Der Architekt, der an der RWTH Aachen als Professor für Baukonstruktion eine ganze Architektengeneration prägte, ist im November 2020 im Alter von 86 Jahren verstorben.
Das Haus Gummersbach reagiert in seiner Konzeption auf die vorhandene Straßensituation: Das Eckgrundstück grenzt nach Westen an eine befahrene Kreisstraße und nach Norden an die zum Deich orientierte Stichstraße. Eine Streuobstwiese, die sich ursprünglich auf dem Grundstück befand, wird zum Orientierungspunkt des Entwurfs: Ein Wohnhaus für eine dreiköpfige Familie, eine Garage mit Atelier, ein dazwischengeschalteter kleiner Innenhof und ein freistehender, auf Stützen gelagerter Gartenpavillon sollten sich um den Baumbestand gruppieren – eingehegt über eine nahezu durchgehende, um drei Ecken geführte Außenmauer. Obwohl das Gesamtgrundstück deutlich größer zugeschnitten ist, entsteht so eine introvertierte, atriumartige Anlage mit grünen Pufferzonen zur Straße und den damals wenig bebauten Nachbargrundstücken. Im weiteren Umfeld dominieren das Bild alte Gehöfte und Bungalows, die Vorboten der beginnenden Suburbanisierung. „Der örtlich zuständige Baubeamte fand den Entwurf äußerst hässlich und bestand auf möglichst geringer Höhe, damit es ‚wenig zu sehen‘ sei“, kommentierte Döring das Projekt später in seiner etwas lakonischen Art in einer Werkmonografie.
Die Grundstruktur des eingeschossigen, kellerlosen Hausentwurfes bilden Schottenmauern, die in einem modularen Abstand von 2,50 m in sieben Achsen wie Zellen nebeneinandergestellt sind. Die aus Kalksandstein massiv gemauerten Außen- und Innenwände nehmen die Last des Flachdaches auf, das aus einer horizontalen Sichtbetonschale gefügt ist, die vorfabriziert und auf der Baustelle montiert wurde. Wegen des festgelegten modularen Wandabstandes konnte dieselbe Schalung für alle Dachschalen genutzt werden, was sich auf die Baukosten positiv auswirkte – das Gesamtbudget für das etwa 150 m² große Haus betrug samt Außenanlagen auch für damalige Zeiten moderate 110.000 DM. Die Elemente erlauben einerseits größere Längen stützenlos zu überspannen – ein Effekt der besonders im nach Süd-West hin orientierten, großzügigen Wohn-Ess-Arbeitsbereich optisch und atmosphärisch zum Ausdruck kommt. Da die Schalungen an den Stirnseiten durchgehend offengehalten sind, eröffnen sich andererseits aber auch besondere Möglichkeiten für die Belichtung: Nahtlos eingefügte Oberlichter lassen den architektonischen Eindruck einer von den Wänden abgehobenen, umlaufenden „Betonattika“ entstehen. Aber nicht nur die Adaption des industriell geprägten Fertig- und Systembaus der Zeit an ein Einfamilienhaus und die damit einhergehenden wenigen Details prägen den Entwurf. Wie bei vielen von Dörings Projekten in den 1960er- und frühen 1970er-Jahren geht es darum, Strukturen zu schaffen, die sich flexibel an veränderte Nutzungen adaptieren lassen, um Schritt zu halten mit dem spürbar beschleunigten technologischen und gesellschaftlichen Wandel der Zeit. Der letztjährige Umbau des Hauses, das seit 2013 unter Denkmalschutz steht, fügt sich da in diese Idee gut ein: Ohne dass man es von außen bemerken würde, wurde die Garage als Wohnraum umgenutzt, verbunden über einen schmalen Verbindungsbau, der die dazwischen liegende Hofsituation erhält. Eine neue größere Doppelgarage wurde mit etwas Abstand und in der Tiefe des Grundstückes neben den Bestand gesetzt – zusammen mit einer Wand aus Sichtmauerwerk entsteht dadurch eine neue Hofsituation. Im Inneren konnten Küche und Hauswirtschaftsraum zu einer Einheit zusammengefasst werden. Ein geöltes dunkles Schiffsparkett lässt in den Wohn- und Schlafräumen wieder den bauzeitlichen Asphaltplatten-Boden anklingen. Auch wenn die Obstbäume schon vor vielen Jahren gefallen sind – Haus Gummersbach hat sich über die Jahrzehnte seinen additiv-seriellen und mit nur wenigen Details gefügten Charakter ziemlich gut bewahrt.
Fotos:
Michael Dahmen
(Erschienen in CUBE Düsseldorf 01|21)