Wohntraum in Weiss
Ein Anbau wird zu einer Single-Wohnung mit japanisch inspirierter Architektur
Dass Architekt Holger Gravius der japanischen (Bau-)Kultur zugetan ist, davon zeugt bereits der Name seines Büros KenChiku Architektur + Design. Die Entwürfe des Esseners folgen Prinzipien der Schlichtheit und des Minimalismus, die für die japanische Architektur typisch sind. Sie spiegeln die Kraft der Ruhe aus der Zen-Kultur wider und machen sie sinnlich erlebbar. Das Projekt „White House“ steht beispielhaft für diese Philosophie, bei der auch das Thema Licht und Lamellen eine durchgängige Rolle spielen.
Einem Bestandsbau neues Leben einzuhauchen ist immer eine reizvolle und herausfordernde Aufgabe. In diesem Fall ging es darum, einen dunklen eingeschossigen Flachdach-Anbau umzubauen und neu zugestalten. Dieser sollte sich als ein vom Nachbarhaus technisch unabhängiger Baukörper präsentieren und geringfügig barrierefrei erweitert werden. Der unterkellerte Anbau steht auf einem rund 377 m² großen Eckgrundstück am Rande eines heterogen gewachsenen Wohngebiets, das überwiegend aus Ein- und Zweifamilienhäusern besteht. Nach seiner Fertigstellung ist er nicht mehr wiederzuerkennen. Das Düstere ist einem strahlenden Weiß gewichen, Lamellen an der Fassade spielen mit dem Licht. In Richtung Westen gibt der Garten, der von einem alten Holzschuppen und von Gestrüpp befreit wurde, den Blick auf Wiesen und Felder frei. Der Vorgarten nebst Zugangsweg konnte nahezu unverändert erhalten werden. Dort blüht im Frühjahr ein kleiner, alter Kirschbaum. Sakura, das japanische Wort für Kirschblüten, steht nicht nur für Vergänglichkeit, sondern auch für Erneuerung – ein Baum, der zufällig bereits vorhanden war, erweist sich nun als stimmiges Symbol für die Transformation des Anbaus in eine helle, moderne und elegante Single-Wohnung.
In einem ersten Schritt musste der undichte Keller, in dem sich nun der Technikraum und Lagerflächen befinden, von innen aufwendig abgedichtet werden. Die Kellertreppe wurde aus funktionalen Gründen zum Eingangsbereich versetzt, wobei zugunsten der Barrierefreiheit auf ein Podest verzichtet wurde. Die Fassade wurde gedämmt und mit Dünnputz versehen. Eine feine Schattenfuge trennt nun den Altbau vom filigranen, auskragenden Flachdach. Sie schützt den Empfangsbereich und die Fassade und wird abends von unten lichttechnisch inszeniert. Auf der Nordseite galt es, einen Sichtschutz zur Nachbarbebauung umzusetzen, ohne das Haus zu sehr abzuschotten. Als ideale Lösung hierfür erwies sich eine Lamellenwand, bei der das optimale Verhältnis von Breite, Tiefe und Abstand bei den Alu-Lamellen zuvor durch den Bau diverser 1:1-Modelle mit der Bauherrin getestet worden war. Die Lamellen beginnen an der Fassade an der Haustür, werden konsequent entlang der straßenseitigen Fenster weitergeführt und finden eine Fortsetzung in verschiedenen Varianten entlang der Nord- und Westseite. Horizontal verlaufende Lamellen erstrecken sich auch über die gesamte Terrasse. Sie spenden im Sommer Schatten für die Glasfassade und die Terrasse und kreieren durch ihr Licht- und Schattenspiel mediterranes Flair.
Seinem Namen „White House“ wird der Anbau nicht nur aufgrund seiner weißen Fassade und der weißen Lamellen gerecht. Auch die Kunststofffenster und Details wie Leuchten und die Hausnummer sind in diesem Farbton gehalten. Alle Fußböden sind in Spachteltechnik in Zen-Grau ausgeführt, nur im Bad wurden Boden- und Wandfliesen in der selben Farbe, aber teilweise mit dezenter Musterung verbaut. Ein Highlight ist die Lichtwand im Foyer des Hauses. „Hier haben wir erstmals an einer Wand einen senkrechten Lichtvouten-Rahmen realisiert. In Verbindung mit einer künstlerischen Kassettierung der Gipskartonwand mit waagerechten und senkrechten feinen Schattenfugen ist hier ein kleines Kunstwerk für sich entstanden”, sagt Holger Gravius begeistert.
Fotos:
Holger Gravius
(Erschienen in CUBE Ruhrgebiet 02|25)