Den richtigen Wert eines Produktes erkennt man erst nach der Garantiezeit*
* Helmut Glaßl, geb. 1950
Egal, ob Share-Deal oder Asset-Deal, zumeist enthalten die zugrundeliegenden Verträge detaillierte Garantieerklärungen des Verkäufers. Nicht selten wurde in der Vergangenheit die Sinnhaftigkeit des Umfanges und des damit einhergehenden Aufwandes hinterfragt. Getrieben durch die schnellen und durchaus lukrativen Exit-Möglichkeiten in den letzten Jahren, waren zumindest für die überwiegend kaufmännisch denkenden Beteiligten diese Garantieerklärungen eher lästiges Beiwerk, das die Verhandlungen unnötig verzögerte. Und nun, nach der vielbeschworenen Zeitenwende?
Plötzlich haben sich Einstellung zu und der Umgang mit solcherlei Garantieerklärungen schlagartig geändert und zwar insbesondere in Bezug auf bereits abgeschlossene Verträgen. Kann – wie derzeit nicht selten – eine ursprünglich geplante Exit-Strategie nicht weiterverfolgt werden und ist eine neue am Horizont nicht erkennbar, so sind längere Haltezeiten die Folge. Kurz- bzw. mittelfristige Finanzierungen sind mit höheren Zinssätzen zu verlängern. Nun sind es die Kaufleute unter den Immobilienplayern, die den einen oder anderen bereits zur Akte gelegten Kontrakt sichten und nach wirtschaftlichem Ausgleich forschen. Verstärkt wird diese Notwendigkeit nicht nur durch interne Zielsetzungen, sondern auch durch externe Vorgaben, insbesondere von Gläubigern und Finanzierungspartnern. Durch den teils erzwungenen Strategiewechsel von „Handel“ in „Bestand“ treten ganz andere Faktoren des ursprünglichen Deals in den Fokus, die – zum Glück – aufgrund der peniblen Gründlichkeit der beteiligten Rechtsanwälte zumeist Inhalt der Verkäufergarantien geworden sind. Die im hektischen Markt als „ewige Bedenkenträger“ vielgescholtenen Juristen kommen nun wieder auf den Plan, um zu prüfen, ob Faktoren, die plötzlich für den aufgezwungenen Strategiewechsel von Nöten sind, belastbar im Portfolio vorhanden sind sowie durch Verkäufergarantien untermauert und durch im Vertrag vorgesehene Rechtsfolgen gestärkt werden können. Ob jeder Erwerber aus den einst unterzeichneten Verkäufergarantien Honig saugen kann, ist eine Frage des Einzelfalls, also der Ausgestaltung der Garantieerklärungen und insbesondere der für einen Verstoß vorgesehenen Rechtsfolgen. Zur vollständigen Aufbereitung des erworbenen Portfolios und zur Beantwortung der von den Finanzierungspartnern gestellten Fragen wird zeitnah vielerorts ein Vergleich zwischen Garantien und Wirklichkeit angestellt werden müssen. Möglicherweise kann so das eine oder andere in jüngerer Vergangenheit erworbene Portfolio allein dadurch mit zusätzlichen Strategieoptionen versehen werden.