Badespass wie in den Zwanzigern
Im Volksbad in Mönchengladbach verbinden sich Wasserfreuden mit Architekturgeschichte
In den licht-, luft- und hygieneverliebten 1920er-Jahren gab es in Mönchengladbach einen offenkundigen Mangel: Die wachsende Industriestadt verfügte über kein einziges Schwimmbad im Freien, das von den Arbeitervierteln zu erreichen gewesen wäre. Entsprechend erfolgte zwischen 1924 und 1926 der Bau eines vom Volksgarten leicht zu erreichenden Freibades inmitten des benachbarten Bungtwaldes.
Die von Stadtbaumeister Böhmer und Gartendirektor Hartrath konzipierte Anlage sieht einen T-förmigen Grundriss vor, der Schwimmer- und Badende klar voneinander klar separiert: Ein 100 x 30 m langes Plansch- und Badebecken mit Wassertiefen zwischen 30 cm bis 5 m markiert die Hauptachse eines 107 m langen Betriebsgebäudes – mit einem monumentalen 7 m-Sprungturm am Kopfende. Auf der Gegenseite dieses langen, ganz aus Stahlbeton errichteten Riegels befindet sich bis heute parallel dazu das 100 x 20 m große Schwimmer- und Sportbecken. Damit erlaubte das Bad schon damals den internationalen Wettkampfbetrieb mit acht gleichzeitig startenden Schwimmern, weshalb das Becken auch ursprünglich von einer Tribüne mit 3.000 Sitz- und Stehplätzen begleitet war.
Das Betriebsgebäude zeichnet sich neben seiner axialsymmetrischen Gestaltung durch die rhythmische Reihung seiner Stahlbetonpfeiler aus. Im Mittelbau sind eine Garderobenhalle im Erdgeschoss und ein Wasserturm untergebracht. Ursprünglich wurde das Bad durch einen benachbarten Weiher des Bungtbaches gespeist und durch einen Kieselfilter gesäubert. In den Eckbauten befinden sich bis heute Büros bzw. auf der Gegenseite die Toiletten. 1929 wird die Anlage leicht versetzt durch zwei weitere Baukörper ebenfalls mit Walmdach ergänzt, in denen Technikräume untergebracht sind. Innovativ in ihrer Zeit waren insbesondere die Garderoben, wie man in Kritiken noch heute lesen kann: „Bemerkt sei, dass die Kabinen nur zum Aus- und Ankleiden dienen, während die Kleidung durch einen Schlitz an die Garderobe gegeben wird. Sie können so fortlaufend benutzt werden“, hieß es 1927 etwa in der „bauwelt“. Auch wenn das seit 2004 denkmalgeschützte Volksbad in den letzten Jahren einige Umgestaltungen erlebt hat, lässt sich die ursprüngliche Architektur noch gut vor Ort erleben. Vor allem die strenge Axialität des groß angelegten Freizeitbecken wurde dabei etwas konterkariert, gibt es doch nun auch eine Wasserrutsche, Wasserspeier, Wasserkanone, Wasserpilz und Spritzdüsen, Bodensprudler, Massagedüsen und Sprudelliegen. Den Höhepunkt bildet die 15 m lange Wasserrutsche. Die kleinen Besucher fühlen sich im Planschbecken, auf dem Spielschiff, am Wasserigel und auf der Kinder-Wasserrutsche pudelwohl. Von den beiden Terrassen des Hauptgebäudes, die für 800 Badegäste ausgelegt sind, ergibt sich bis heute ein beeindruckender, fast barocker Ausblick über die Gesamtanlage.
(Erschienen in CUBE Düsseldorf 03|19)