Reisen zur Kunst
In einer einstigen Scheune in der Provinz entstand nach Umbau eine hochmoderne Galerie
Für Insider der internationalen Kunstszene mag es ausgesehen haben wie eine Kapitulation, als der renommierte Galerist Michael Zink sich 2019, nach 25jähriger erfolgreicher Karriere an Standorten wie München, New York und Berlin aufs Land, in die Oberpfalz, zurückzog. Das Gegenteil war seine Intention: Er wollte junge Künstler:innen fördern und die Sammler und Kunstinteressierten animieren, der Kunst hinterherzureisen – statt diese wie bisher, an internationalen Hotspots „auf dem Silbertablett serviert“ zu bekommen. Dazu brauchte er Räume. Er gewann Kunst sammelnde Architekten, das Atelier Dimanche aus der Schweiz, dafür, eine fast verfallene Scheune in unmittelbarer Nähe seines bereits vorhandenen Wohnhauses zu einer hochmodernen Galerie aus- und umzubauen. Zinks Rechnung ging auf. Sein neues, im idyllischen Dorf Waldkirchen gelegenes Kunstdomizil ist nachgerade ein Pilgerort für Kunstinterssierte geworden. Wer nicht kommen kann, kauft übers Internet, wohin sich der Kunstmarkt ohnehin verlagert hat. Zink folgte damit dem Trend, Kunst und Kultur in die Provinz zu bringen, wie es mit Blaibach und Neumarkt für Konzerte bereits gelungen war. Den jungen Architekten von Atelier Dimanche, Tamara Henry und Mathieu Robitaille, ist ein Meisterwerk gelungen und damit ein Durchstarten ihres Büros. Die Scheune war eingangs ziemlich marode, nur die soliden Grundmauern aus dem Baujahr 1896 waren zu retten und Auflage des Denkmalschutzes war es, diese Grundfläche von nur knapp 270 m2 originalgetreu einzuhalten. Ein Haus im Haus musste geplant und ein umfangreiches Raumprogramm untergebracht werden: Lager-, Haushalts-, und Technikräume samt Foyer. Im Galeriegeschoss darüber liegt der Ausstellungsraum und noch weiter oben, im Dachgeschoss, fanden sogar noch ein Atelier und ein Apartment für die Artists in Residence Platz. Diese schwere Aufgabe lösten Atelier Dimanche mit einem Sichtbetoninnengebäude und einer Erhöhung des Daches um zwei Meter. Ein Rundbogen aus den alten, vorgefundenen Steinen bildet den Eingang. Alte Ziegel wurden im Fischgrätmuster aussen und innen als Boden verlegt. Beim Eintreten gelangt man in ein zehn Meter hohes Atrium mit offenem Blick zur Dachschräge. Ein eigens hierfür geschaffenes pendelndes Lichtobjekt mit Namen „Chandelier“ entwarf der Künstler Dirk Zoete. Die oberen Geschosse werden durch eine mittige Zick-Zack-Betontreppe erschlossen. Selbst im Ausstellungssaal gibt es großzügige Fenster, die die Blicke in die buchstäblich malerische Landschaft einrahmen. Der U-förmige Galerieraum ist dreigeteilt: Eine sieben mal sieben Meter große Mittelwand im Zentrum und die beiden Schenkel der U-Form, die als kleinere Kabinette separat bespielt werden können, bilden den 120 m2 großen Kunstraum. Als „Gauben“ quer zum First sitzen das Atelier und die Künstlerwohnung an den Gebäudeenden auf dem Dach. Von dort aus können die Künstler:innen von oben direkt in die Ausstellung schauen – und haben ihre Arbeiten sozusagen direkt vor Augen. Ein Ausflug zu diesem Kunstort ist unbedingt empfehlenswert.
Fotos:
Erich Spahn
www.erich-spahn.de
(Erschienen in CUBE München 04|24)