Reaktiviertes Bauernhaus
Historischer Bestand in Niederkassel wird zeitgemäß interpretiert und doch behutsam erhalten
Das linksrheinische Alt-Niederkassel gehört zu den Stadtteilen der Landeshauptstadt, die ihren dörflichen Charakter bis heute bewahrt haben. Auch der Düsseldorfer Architekt Jonas Hofmann von der Architektengruppe Hofmann hat seine Kindheit hier verbracht – genauso wie der Eigentümer eines früheren Bauernhauses, das zum Familiendomiziel umgebaut werden sollte. Beiden war es eine Herzensangelegenheit, das leerstehende Gebäude aus dem Jahr 1866 so respektvoll zu modernisieren, dass die ursprüngliche Typologie erkennbar bleibt und das giebelständige Haus auch weiterhin als Teil der gewachsenen dörflichen Struktur wahrgenommen wird.
Die Erneuerung und der Umbau des Gebäudes konnten sich nur im Rahmen der vorhandenen baulichen Strukturen bewegen: Ein Teilabbruch und Anbau waren aufgrund der geltenden Abstandsflächen des aktuellen Baurechts nicht möglich. Entsprechend wurde das Gebäude komplett in seiner ursprünglichen Kubatur erhalten und die Putzfassade mit einer nachhaltigen, robusten und dauerhaften Dämmung aus ökologischen Materialien energetisch ertüchtigt. Von außen bewahrt das Haus so sein ursprüngliches Gesicht – allein an subtil gesetzten gestalterischen Details wie dem leicht aus der Fassade hervorspringendem Eingangsportal oder den teilweise abgeschrägten Fensterlaibungen lässt sich ablesen, dass hier etwas Neues auf Grundlage des Vorgefundenen entstanden ist. Der an der Traufseite neu hinzugefügte und zeitgenössisch interpretierte Erker greift die auf dem Dorf bis heute verbreitete Gepflogenheit auf, „den Kopf aus dem Fenster zu strecken“, also zu schauen wer vor der Türe oder in der Gasse steht. Auch im Inneren verschmelzen zeitgenössische Wohnansprüche harmonisch mit der traditionellen Typologie: Während sich im Erdgeschoss Wohn- und Essbereich zu einem rückwärtigen Innenhof mit Platane öffnen, befinden sich die Schlaf- und Kinderzimmer mit Bad im Dachgeschoss. Der Spitzboden wurde teilgeöffnet – ein über den Leerraum gespanntes Fallnetz erschafft einen besonderen Spiel- und Relaxbereich. Die teilweise kleinteiligen Raumfolgen ließen sich so öffnen, dass Räume zu größeren Einheiten flexibel zusammenschaltbar sind und die Raumstruktur des Bauernhauses so weiterhin ablesbar bleibt. Eine besondere Herausforderung stellte beim Umbau die marode Bausubstanz dar: Anders als zunächst geplant, mussten nahezu alle Innenwände erneuert werden. Sowohl der alte Dachstuhl als auch die historische Holztreppe konnten jedoch erhalten werden – letztere ließ sich mit kreativem Geschick an die Höhenniveaus der neu eingezogenen Geschossdecken anpassen. Auch die Installationen für die Haustechnik erforderten im Rahmen des vorhandenen Bestandes ein besonderes Fingerspitzengefühl. Das luftdicht gedämmte Haus, das mit einer Erd-Wärmepumpe, Fußbodenheizung, PV-Anlage und einer dezentralen Lüftung mit Wärmerückgewinnung ausgestattet wurde, erfüllt jetzt die energetischen Anforderungen eines KfW-70-Effizienzhauses.
Fotos:
Marius Haseloff
(Erschienen in CUBE Düsseldorf 02|24)