Offen ins Licht
Ein Bungalow aus den 1960er-Jahren wird radikal geöffnet – innen wie außen
Ein einziger Blick genügt, um die Veränderung zu erkennen: Wo früher Wände den Weg versperrten, fließt heute Licht durch ein offenes Raumgefüge. Das sanierte Wohnhaus aus den 1960er-Jahren hat seine Enge abgelegt – und mit ihr das Gefühl, vom eigenen Garten abgeschnitten zu sein. Der Auftrag an das Friedberger Büro Müller+Kölsch Architekten war so einfach wie radikal: Alle Innenräume sollten offener, heller, klarer werden. Grenzen im Inneren sollten fallen und der Übergang nach draußen fließend wirken. Die Umsetzung verlangte Mut und statische Kniffe, denn für die Architekten war es nicht nur eine gestalterische, sondern auch eine konstruktive Herausforderung: Im Erdgeschoss mussten tragende Wände weichen, um eine großzügige Raumfolge zu schaffen.
Die Decke war jedoch ursprünglich als Zweifeldträger konstruiert – eine Seltenheit in Wohnhäusern dieser Zeit. Die Lösung verlangte höchste Präzision: Zwei Doppel-T-Träger wurden eingebaut, über 20 Bohrungen mit Ankerplatten gesetzt, die Träger bis zur Außenwand und zu einer verbliebenen Stahlstütze in der Küche geführt. Das Erdgeschoss wurde daher ebenfalls zu einer lichtdurchfluteten Ebene, die den Blick freigibt, ohne an Stabilität einzubüßen. Zentraler Gedanke des Entwurfs war Transparenz – horizontal und vertikal. Erdgeschoss und Untergeschoss wurden nicht mehr als getrennte Welten gedacht; eine offene Verbindung zwischen den Ebenen holt nun Tageslicht ins Souterrain, wo sich der private Elternbereich und ein Heimkino befinden. Gleichzeitig öffnet sich das Erdgeschoss über große Fassadenöffnungen zum neu angelegten Garten. Innen und Außen sind ebenfalls keine Gegensätze mehr, sondern Teil eines fließenden Wohngefüges.
Materialität und Haptik unterstreichen diesen Ansatz. Böden, Wände und sogar die Einfassungen der Badewannen sind mit mineralischem, fugenlosem Spachtel versehen. Diese durchgehende Oberfläche verstärkt das Gefühl von Ruhe und Klarheit, lenkt den Blick auf Raum, Licht und Ausblick statt auf Details. In den Bädern setzt sich die Gestaltung bis in die bodengleichen Duschen fort – konsequent, reduziert, zeitlos. Nach 18 Monaten Bauzeit ist das Haus nicht wiederzuerkennen. Müller+Kölsch Architekten haben ein Bauwerk der 1960er-Jahre nicht nur modernisiert, sondern ihm eine neue Haltung gegeben: leicht, transparent, verbunden – mit sich selbst und seiner Umgebung.
Fotos:
Joerg Hempel
www.joerg-hempel.com
(Erschienen in CUBE Frankfurt 03|25)
