Leise & Selbstbewusst
Ein Wohnhaus mit acht Einheiten entsteht auf dem Grundstück eines einstigen Bürohochhauses
Ein leerstehender Solitär aus den 1960er-Jahren, der sich mit seiner ausgreifenden Präsenz bis an den Gehweg schob, prägte jahrelang die Ecke Lindenstraße/Westendstraße in Frankfurt – und das im negativen Sinne. Das Gebäude, einst Bürohochhaus, war längst zum städtischen Fremdkörper geworden, zu laut, zu hoch, zu belanglos. Nun ist es verschwunden. An seiner Stelle steht heute ein Wohnhaus, das sich zurücknimmt – und damit gewinnt.
Der Neubau, der für die Hubertus Wald Stiftung aus Hamburg von Ney & Jung Architekten aus Bingen geplant wurde, markiert mehr als eine städtebauliche Korrektur. Er antwortet auf den umgebenden Kontext – historisch und baulich. Dabei war der Weg dorthin nicht ganz einfach. Im Dialog mit der Bauaufsicht und der Denkmalschutzbehörde wurde intensiv verhandelt. Das Ziel: ein Baukörper, der sich in die ursprüngliche Blockrandstruktur der Gründerzeit einfügt, das historische Stadtbild respektiert – und dennoch ein klares architektonisches Statement setzt. Kein lautes, sondern ein selbstbewusstes. Der Bau nimmt die Fluchten der Nachbarhäuser wieder auf, arrondiert das Grundstück und interpretiert die typologische Eckausbildung der Gründerzeit neu – als präzise Fase anstatt einer scharfen Ecke, denn im Gegensatz zur Kante, stellt eine Fase eine durch Abkanten entstandene schmale Fläche dar. Auch das Materialkonzept folgt diesem Gedanken: mineralisch, langlebig, ehrlich. Das massive Ziegelmauerwerk aus Wärmedämmziegeln macht Kunststoff überflüssig und ermöglicht die Ausführung eines hochwertigen Edelkratzputzes. Fenster und Türen sind aus Holz, formal abgestimmt auf die Umgebung, präzise in Fassade und Geschossigkeit eingebunden – kein Element entstand zufällig. Innen dominieren Eichenparkett, helle Fliesen und weiße Wände. Die Wohnungen bieten Bühne statt Kulisse – der Mensch soll sie sich aneignen, nicht umgekehrt.
Der Neubau ist auch ein Beispiel dafür, wie Architektur sozialen und kulturellen Mehrwert schafft, wenn sie auf Haltung und Handwerk statt auf Rendite setzt. Denn hier wurde nicht spekuliert, sondern mit dem Ziel gestaltet: hochwertigen Wohnraum zur Miete zu schaffen – wirtschaftlich, aber nicht gewinnmaximierend. Acht Wohneinheiten, zwei davon als Maisonetten, sind entstanden. Insgesamt 946 m² Wohnfläche, verteilt auf fünf Vollgeschosse und ein Dachgeschoss. Darunter: eine Tiefgarage mit acht Stellplätzen.
Fotos:
Pascal Schirmer
Ney & Jung Architekten
(Erschienen in CUBE Frankfurt 02|25)