Alles außer gewöhnlich
Die „Holzrotonda“ zeigt Lösungen für den zukünftigen Bau von Einfamilienhäusern auf
Das Bremer Architekturbüro Wirth Architekten wird von den beiden Brüdern Jan und Benjamin geführt. Eins ihrer Projekte trägt die Bezeichnung Holzrotonda. Rotonda? Ist das nicht eine weltberühmte Villa aus dem 16. Jahrhundert in Italien vom nicht minder berühmten Palladio? Und wieso Holz? Der Name für das Einfamilienhaus in Niedersachsen ist viel mehr als eine Hommage mit Augenzwinkern. Er verweist auf die zurzeit geführte Diskussion über das Einfamilienhaus, das zwar immer noch für rund 65 Prozent der Deutschen die Traumimmobilie schlechthin ist, aber wegen der Flächenversiegelung, dem klimaschädlichen Material- und Energieverbrauch und der Zersiedelung zunehmend in der Kritik steht.
Die Holzrotonda trägt dem ganz bewußt Rechnung, den ihr Fußabdruck ist im wahrsten wie im übertragenen Sinne des Wortes minimiert. Jedes herkömmliche Haus berührt mit dem Erdgeschoss den Boden, dringt in einigen Fällen mit einem Keller in ihn ein. Deswegen reduziert der Entwurf den umbauten Raum im Erdgeschoss auf nur 25 Meter Grundfläche, um eine zentrale, gewendelte Treppe sind Garderobe, Gäste-WC und Abstellraum angeordnet. Im Obergeschoss bieten vier Zimmer und eine Galerie ausreichend Wohnraum für die Familie.
Auch der CO₂-Fußabdruck der Holzrotonda ist klein. Durch die geringe Standfläche konnte der Einsatz von Beton und erdölbasierten Dämmstoffen auf ein Mindestmaß reduziert werden. Die Fassade verzichtet bewusst auf den ortstypischen Chic schwerer, gebrannter Verblendmaterialien, die in Herstellung und Anlieferung negative Einflüsse auf die Gesamtenergiebilanz der Holzrotonda hätten. Im Inneren wurden weder Installationsschichten noch Verkleidungen mit Gipskarton verbaut. Auch der konsequente Verzicht auf Verbundwerkstoffe macht einen potenziellen Rückbau und eine Anschlussverwertung im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips möglich. Um die Ansprüche an Nachhaltigkeit mit wirtschaftlichen Aspekten in Einklang zu bringen, haben die Architekten wirklich jeden Standard auf den Prüfstand gestellt. Statt Tapeten oder aufwendig verputzter Wände gibt es z. B. reine Grobspanplatten. Bis auf die Hülle aus Faserzementplatten und die Fassadenverkleidung im Erdgeschoss aus zementär gebundenen Spanplatten handelt es sich bei dem dem gesamten Gebäude um einen weitgehend vorgefertigten, demontierbaren Holzrahmenbau. Reminiszenzen an die historische Villa Rotonda von Palladio finden sich dann doch: in der Anordnung der Wohnräume im Obergeschoss rund um die kreisförmige Treppe sowie im zentralen Oberlicht für einen vertikalen Lichteinfall.
Fotos:
Caspar Sessler
www.casparsessler.com
(Erschienen in CUBE Hamburg 03|24)