Dreifacher Lückenschluss
Blockrandschließung, Ausdehnung des Dachgeschosses und ein zusätzliches Rückgebäude
Ein neues Gebäude in eine Umgebung mit Bestandsbauten zu „implantieren“ bedarf eines großen Feingefühls seitens der Planenden. Es darf sich nicht hervortun, muss sich anpassen, sollte prägnant sein, modern und doch zurückhaltend. Ein Beispiel dafür findet sich in der Baumschulenstraße in Treptow. Das junge Büro Zappe Architekten & Partner erhielt den privaten Auftrag eine Lösung für ein Eckgebäude zu entwickeln, das den Blockrand schließt und auf beiden Seiten an seine Nachbarn andockt.
Der Mehrgeschosswohnungsbau – und das ist eben die Kunst – fällt zunächst gar nicht auf. Erst bei näherer Betrachtung wird klar, dass er eine völlige andere, eigenständige Sprache spricht und sich sehr wohl behaupten kann. Viele Jahrzehnte trennen ihn von den Gebäuden seiner Umgebung – Vorkriegsbauten zumeist in einem eher kleinbürgerlichen Kiez, der sogenannten „einfachen Leute“. Schon der graue Putz steht im Gegensatz zu den beige-braun-gelblichen Fassaden rundum. Strukturierte Betonfertigteile im Sockelbereich gehen über in Kammputz und in glatten Putz in den oberen Geschossen. Die Fenster wurden von den Architekten selbst entworfen. Optisch gleichen sie früheren Industriefenstern mit Metallsprossen in einem ungewöhnlichen Format. De facto handelt es sich um Doppelkastenfenster: Außen zwei Scheiben Isolierglas im GFK-Rahmen (glasfaserverstärkter Kunststoff) und innen Einscheiben-Fensterrahmen. Die Fenster wurden eigens mit dem Tischler entwickelt. Sie dienen als Schutz gegen die hohe Lärmbelastung der vielbefahrenen Straße und auch vor Hitze und Kälte. Auf Wunsch des Bauherrn wurde der Schriftzug „Tolerance – No Hate“ an der Fassade angebracht. In der Traufhöhe, passt sich das Gebäude an, allerdings wurde zugunsten der Raumhöhe, wie sie sonst nur in Altbauten üblich ist, auf eine Etage verzichtet. Das wie aufgesetzt wirkende Dachgeschosse mit seiner nur leichten Schräge gleicht einem Mansarddach und ermöglicht Räume mit nur minimalen Dachschrägen. Das Besondere ist, dass sich das Dachgeschoss auf die Nachbarhäuser ausdehnt und ihnen ein zusätzliches Geschoss „aufsetzt“. Das Erdgeschoss bleibt gewerblicher Nutzung vorbehalten. Ein Café namens „Blüte“ ist dort eingezogen und macht die Ecke lebendig. Damit nicht genug: Der Innenhof wurde genutzt, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Eine viergeschossige Remise, bodentief verglast und mit Absturzgittern bewehrt, lässt den Bewohner:innen mit loftartigen offenen Grundrissen freie Hand für die Raumgestaltung.
Fotos:
Caroline Prange
www.carolineprange.com
(Erschienen in CUBE Berlin 02|25)