Biodivers und hitzeresistent
Der Neubau der Calwer Passage besticht durch sein innovatives Grünkonzept
Seit über 40 Jahren ist die Calwer Passage in der Stuttgarter City als Flaniermeile beliebt. Zwischen 1974 und 1978 nach Plänen der Architekten Kammer + Belz und Partner realisiert, verbindet sie mittels einer über die Calwer Straße geführten Glaskuppel – inspiriert von der legendären Mailänder Passage Vittorio Emanuele II – ein Wohn- und Geschäftsquartier mit den gegenüberliegenden sanierten historischen Fachwerkhäusern. Die von ingenhoven associates und Tennigkeit Fehrle Architekten geplante und realisierte Neubebauung ersetzt das Quartier durch einen neuen bis zu sechsgeschossigen Komplex mit Büros, Gewerbe und Wohnungen und verbindet ihn mit der denkmalgeschützten Glaspassage sowie dem Fachwerkbestand zu einem Ensemble mit Fußgängerzone. Dabei ist es insbesondere die 133 Meter lange Straßenfassade, die ein Zeichen für eine grünere Zukunft im Talkessel setzt.
Das unter der Leitung von ingenhoven associates entwickelte Grünkonzept realisiert eine üppige Begrünung der transparenten Fassade und der Dächer. Das Gebäude wird dabei zum Lebensraum für 40 große, 15-20 Jahre alte Bäume, die auf und um den Bau herum gepflanzt wurden – windsicher fixiert durch eine Wurzelballen- und Kronenverankerung. Das prägendste Element ist dabei ein kleiner Mischwald aus Schwarzkiefern, Stieleichen, schwedischen Mehlbeeren und Hainbuchen auf dem sechsten Geschoss der Passage. Das weitläufige Landschaftsdach bietet dabei auch Platz für Kräuterwiesen und Beete sowie verschiedene Orte zum Verweilen. Hinzu kommen weitere 11.000 Setzlinge in 2.000 Pflanzgefäßen an der Fassadenkonstruktion. Das Grünkonzept, dem Prof. Dr. Strauch, Phytotechnologe an der Hochschule für Technik, und Prof. Dr. Reif, Vegetationsökologe von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, beratend zur Seite standen, weist eine hohe biologische Diversität auf: Neben Bäumen und kleinen Einzelhölzern gibt es dabei flach wachsende, überhängende sowie kletternde Pflanzen, die über Stahlseile und Netze die verschiedenen Geschosse miteinander verbinden. Für ein gleichbleibendes Erscheinungsbild der Begrünung wurde eine ganzjährig aktive Vegetation gewählt. Zudem mussten alle Gewächse stressresistent und regenerativ sein, um den Wind- und Luftverhältnissen standzuhalten. So wurden die Pflanzen bereits drei Jahre vor dem Einsatz in einer Baumschule vorgezogen und in die gedämmten Aluminiumkübel umgetopft. Während der Montage bereits fest verwurzelt, konnten sie sich am neuen Standort besonders schnell akklimatisieren. Mithilfe einer Hebevorrichtung wurden die Pflanzgefäße in die vorgesehene Stahlkonstruktion gehoben, die gleichzeitig das Bewässerungssystem und die Wartungsstege trägt.
Die komplett digital gesteuerte Bewässerung mit integrierter Nährstoffversorgung garantiert die korrekte Pflege der Pflanzen. Durch integrierte Sensoren wird die notwendige Menge an Wasser oder Nährstoffen bedarfsorientiert zugeführt und das System ständig kontrolliert. Entstanden ist so eine grüne Oase, die schadstoff- und schallabsorbierend wirkt, durch Regenwasserrückhaltung die Kanalisation entlastet und durch Verdunstung urbanen Hitzeinseln entgegen wirkt. Sowohl für Mensch als auch Tier konnte durch die innovative Begrünung ein lebenswertes Habitat inmitten der Großstadt geschaffen werden.
Fotos:
HGEsch
www.hgesch.de
(Erschienen in CUBE Stuttgart 02|25)