Wenn Licht zur Kunst wird
Installationen spielen mit der Wahrnehmung des Betrachters
Seit mehr als 100 Jahren existiert Lichtkunst als eigenständige Kunstgattung. Dabei steht nicht die ästhetische Qualität der Lichtquelle im Mittelpunkt, das künstliche Licht wird vielmehr selbst als künstlerisches Mittel eingesetzt – eingebunden in Objekte oder größere Installationen, kombiniert mit transparenten, durchscheinenden oder reflektierenden Materialien. Ergänzt durchaus mit Holz, Plastik oder Stahl. Zu den aufstrebenden Talenten der internationalen Lichtkunst Szene gehören etwa Andreas Muxel und Martin Hesselmeier, Iván Navarro oder Dirk Vollenbroich. Alle vier wurden 2015, dem offiziellen UNESCO Jahr des Lichts, mit dem International Light Art Award des Zentrums für Internationale Lichtkunst Unna und der RWE Stiftung ausgezeichnet. Ziel des künstlerischen Wettbewerbs, der in diesem Jahr erstmalig stattfand: das Genre selbst und die Lichtkünstler zu fördern und bekannter zu machen. Die Aufgabe an die Künstler: einen Raum des Lichtkunstmuseums Unna mit einer Installation zu erobern.
Mit dem Gedankenexperiment von Licht als konkretem Medium, das den Gesetzen der Schwerkraft unterliegt, setzte sich das in Köln ansässige Künstlerduo Martin Hesselmeier & Andreas Muxel auseinander. Im Rahmen der Installation „The Weight of Light“ wird Licht auf LED-Bahnen transportiert, die den Betrachter umgeben und in eine Welt versetzen, in der sich das Licht nicht mehr wie gewohnt verhält.
Der Chilene Iván Navarro beschäftigte sich in seiner Installation mit gesellschaftlich geprägten Symbolen, die er außerhalb ihrer sinnstiftenden Kontexte präsentierte. „Traffic“, ein Mobile aus Verkehrsampeln, taucht den Raum abwechselnd in die so bekannten Farben, deren Signalwirkung hier vom Betrachter neu bewertet werden muss.
Ganz auf die Mitwirkung der Betrachter ausgerichtet ist das Werk des ebenfalls in Köln ansässigen Künstlers Dirk Vollenbroich. Erst die Hirnströme der beteiligten Besucher – ausgelesen durch ein Headset – lassen „Erleuchtung“ sichtbar werden. Durch die Kopplung an ein Live-Monitoring steuert dieses Neurofeedback die farbigen Raumilluminationen, die jeweils aktuelle Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstufe wird so angezeigt. Sobald der Besucher eine hohe (= meditative) Hirnstromfrequenz erreicht, aktiviert er dadurch eine UV-Ausleuchtung, die eine großflächige, fluoreszierende Abbildung des Universums sichtbar macht.
Arbeiten, die das Dunkel verdrängen und doch erst in der Dunkelheit lebendig werden, schaffen die international etablieren Lichtkünstler Anthony McCall, Diana Ramaekers, Regine Schumann, Lucinda Devlin und Vera Röhm. Dunkelheit verschluckt die Welt um uns herum. Ein Raum ohne Licht, ohne Schatten und ohne Farben hat etwas Beängstigendes oder Verstörendes. Die fast vollständig dunklen Ausstellungsräume im Zentrum für Internationale Lichtkunst Unna hüllen die Besucher im Rahmen der Ausstellung ¡DARK! (zu sehen bis 3. April 2016) ein und lassen erst nach einer kurzen Phase der Gewöhnung die Kunstwerke erkennbar werden. Die Ausstellung lädt dazu ein, mit den Installationen zu interagieren und so Teil der Kunstwerke zu werden.
Etwa im Rahmen des Kunstwerks „Meeting You Halfway II (2009)“ des Lichtkünstlers Anthony McCall. Es ist ein Beispiel seiner horizontalen Arbeiten, die den Betrachter integrieren. Die Installation kombiniert und teilt verschiedene Konfigurationen zweier Ellipsen. Das Werk reiht sich ein in die lange Reihe der „Solides Licht“-Film-Arbeiten, deren erstes Werk aus den 1970ern – „Line Describing a Cone“ – zu einem Klassiker des Avantgarde-Kinos geworden ist.
Oder „Connect, Back to Back (2015)“ der deutschen Künstlerin Regine Schumann, das durch seine vielfarbige und spielerische Aura in scharfem Kontrast zu den übrigen vollständig in schwarz-weiß gehaltenen Werken der Ausstellung steht. Es ist eine Installation aus wellenförmigen Acrylglasplatten in phosphoreszierend blauen und fuchsienroten transparenten Farbtönen, die sich durch den Ausstellungsraum schlängeln. Die Installation lädt zu einem entspannten Spaziergang durch sie hindurch ein, dabei sieht sich der Betrachter mit neuen Blickwinkeln, neuen Perspektiven und neuen Farberfahrungen konfrontiert. Die einzelnen Platten reichen bis auf Schulterhöhe, so dass die Besucher das wellenartige Labyrinth überblicken können. Die Acrylplatten werden durch die Verwendung von Schwarzlicht akzentuiert, was bewirkt, dass die Objekte Lichtlinien durch den Raum ziehen und so zu graphischen Elementen werden. Durch das Einbeziehen weiterer gestalterischer Elemente wie Tanz und Sprache wird die Installation „Connect, Back to Back“ im Rahmen der Ausstellung zum Gesamtkunstwerk „Jump!“.
www.lichtkunst-unna.de