Mehr als ein Licht
Der niederländische Designer William Brand, ebenso Gründer der Marke Brand van Egmond, über die Handwerkskunst seiner Leuchtskulpturen, Räume und Erfahrungen
CUBE: William, lassen Sie uns erst einmal zurückblicken. In welchem Alter haben Sie angefangen, sich für Licht und Leuchten zu interessieren?
William Brand: Schon als kleiner Junge hat mich Licht fasziniert. Für mich war es immer wie ein Spiel, die Lichtstrahlen und ihr Leuchten zu manipulieren. Ich bin so groß geworden, dass ich mir Dinge selber ausgedacht habe. Mit elf Jahren habe ich dann mit dem gesamten Equipment aus unserer Garage meinen ersten eigenen Leuchtkörper aus über 100 Kupfermünzen angefertigt. Diese Faszination für das Licht ist immer geblieben, genauso wie die Anfertigung mit meinen eigenen Händen. Später dann in der Kunsthochschule habe ich mich auch dem Tageslicht gewidmet und die Auswirkungen auf Raumsituationen erforscht. In dieser Zeit wurde ich immer minimalistischer, was sich in meinen Architekturentwürfen gezeigt hat, vor allem aber hat es sich in meinem Charakter widergespiegelt.
Wie würden Sie sich selbst bezeichnen – als Künstler, Architekt, Designer?
Ein enger Freund bezeichnete mich einmal als „Architekt des Minimalismus mit einer leuchtenden Seele“ – und damit fühle ich mich auch heute noch wohl. Nach meinem Abschluss als Architekt habe ich zuerst an verschiedenen Architekturprojekten gearbeitet. Allerdings habe ich dann sehr viel Zeit mit dem Gestalten und Herstellen von Lichtskulpturen verbracht, woraus sich mein Interesse für skulpturales Lichtdesign entwickelt hat. Wenn ich heutzutage meine Projekte betrachte, beobachte ich mehr und mehr eine Verschmelzung zwischen Kunst, Architektur und Zeitgeschmack. Es ist sehr interessant, wie jede Disziplin in die jeweils anderen eingreift. In dem Moment spüre ich, dass meine „leuchtende Seele“ von der Zusammenarbeit mit genau den Architekten profitiert, die eine große Freiheit in ihrer Architekturauffassung verfolgen.
Im Jahr 1989 gründeten Sie die Marke Brand van Egmond und das Studio in Naarden. Hat sich Ihre Auffassung von anspruchsvollem und außergewöhnlichem Design im Laufe der Jahrzehnte gewandelt? – Und wenn ja, welche besonderen Veränderungen waren einschneidend für Ihre Entwicklung?
Meine allererste Lampenkreation war die Leuchte „Chandelier“. Vor über 25 Jahren haben wir dieses Stück in Glas und Cortenstahl hergestellt. Und obwohl es einige Zeit her ist, meine ich heute noch, die Formen in meinen Händen zu spüren. Diese Leuchte griff eine absolut neue Idee auf, was Beleuchtung für einen Raum bedeuten kann. Und dann das Material: rostiger Stahl – völlig unbeachtet zu damaliger Zeit. Mir wurde auch schlagartig klar, dass die Menschen ein maßgeschneidertes Licht wollen, das perfekt in ihre individuellen Räume passt. Dieser Aspekt der kundenspezifischen Anpassung ist nachwievor ein großer Teil unserer täglichen Arbeit.
Sie entwerfen Leuchten u. a. für Privaträume, Hotels, Restaurants, Einzelhandelsgeschäfte. Wenn Sie beauftragt werden, eine Leuchte zu entwerfen: Wie fangen Sie an?
Das hängt sehr von den Wünschen der Kunden ab. Sie bringen zuallererst ihre persönlichen Geschichten und ihre Vorstellungen mit. Diese ganzen Emotionen übertrage ich in eine handgefertigte Leuchte, unter der Berücksichtigung des Raumes, der Wirkung und der Zeitlosigkeit. Ich mache das an einem Beispiel deutlich: Vor einigen Jahren wurde ich eingeladen, eine Leuchte für den Eingang eines Theaters zu entwerfen. Als erstes habe ich mir den Raum angesehen, während die Besucher gerade dort waren. Ich sah viele schöne Frauen und habe mir vorgestellt, jeder dieser Damen eine Blume zuzuwerfen, um ihnen meine Verehrung zu zeigen. So entstand eine maßgeschneiderte Leuchte – einzelne Rosen in verschiedenen Höhen erleuchten seitdem den Eingangsbereich. Dieses Projekt hat dann später meine „La Vie en Rose“-Kollektion inspiriert, bestehend aus einzelnen Rosen sowie einem Strauß. In kleineren Räumen tendieren Kunden häufig zu einem Strauß aus dieser Kollektion anstatt zu der großen Geste. Welche Wahl auch getroffen wird, beides ruft ein Gefühl der Schönheit hervor.
Wenn Ihre Kunden oder auch Gäste, Unbekannte, Touristen Ihre Licht-Skulpturen betrachten und entdecken: Welche Reaktionen fallen Ihnen auf?
Da von meinen Leuchten eine sinnliche, außergewöhnliche und auch eine entschlossene Ausstrahlung ausgeht, reagieren die meisten Menschen ganz einfach spontan, wenn sie sie entdecken. Ob Begeisterung oder Verwunderung: es ist unmöglich, nicht zu reagieren. Das Schöne ist, es ist eine Reaktion, die nicht ich vorschreibe, sondern die aus dem Bauch herauskommt.
Ihre Leuchten sind Handwerkskunst mit einem Drang nach Perfektion. Entwerfen und fertigen Sie die Leuchten nach einer bestimmten Vorgehensweise?
In jeder einzelnen Lichtskulptur, die ich seit über 25 Jahren mache, strebe ich Perfektion an. Gleichwohl würde ich meine Leuchten nicht als perfekt bezeichnen. Meine Entwürfe bezeichne ich eher als eigenwillig. Meine Mitarbeiter und ich fertigen alles von Hand an, daher unterscheiden sich die Arbeiten immer ein wenig von der vorherigen. Diese Einsicht hat mir im Laufe der Jahre viel gebracht. Ein Handwerk zu bewältigen heißt, neugierig und geduldig zu sein, sich auf Verbindungen zu fokussieren und das Geschick des Voraussehens und der Korrektur zu erlernen – in einem kontinuierlichen Dialog mit dem Material.
Ob das Licht ein- oder ausgeschaltet ist – die Leuchte muss lichttechnische und gestalterische Herausforderungen erfüllen. Wie vereinbaren Sie diese beiden Faktoren?
Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Licht eine ursprüngliche Sehnsucht im menschlichen Hirn hervorruft – nach Sicherheit und Wärme. Das ist ein Grund, warum ich meine Stücke so gestalte, dass die Lichtquelle sichtbar bleibt. Ich selbst habe den Anspruch, ob die Leuchte an oder aus ist, sie muss immer gut aussehen.
Ihre Leuchten scheinen auf den ersten Blick als rein künstlerische Lichtskulptur. Inwieweit setzen Sie technische Finessen ein?
Die technischen Aspekte hängen sehr von den Wünschen des Kunden, den Dimensionen des Raumes, seiner Umgebung und anderen individuellen Umständen ab. Aber ob technische oder gestalterische Aspekte, es ist jedes Mal eine große beratende Verantwortung. Ein Beispiel: Für ein Projekt in Singapur stellte sich heraus, dass unsere Leuchten nur in Edelstahl hergestellt werden konnten, damit sie der salzigen Luft des Meeres standhalten können. Das hatten wir zu Beginn so nicht bedacht oder bedenken können. Wir haben aber die Möglichkeit, jede Änderung und auch jeden Wunsch unserer Kunden – ob beim Material, bei der Aufhängung oder bei technischen Leuchtquellen – umzusetzen, da wir alles von Hand machen und der gesamte Herstellungsprozess bei uns im Atelier ausgeführt wird.
Sie arbeiten mit Materialien wie Edelstahl, Kristall, Glas, Kupfer oder Bronze. Gibt es ein Material, das Sie noch reizt?
Der wirkliche Wert meiner Arbeit ist ja eigentlich nicht das Material. Der wirkliche Wert ist, im übertragenen Sinne, die Poesie meines Designs. Es ist ähnlich wie in der Architektur. Nicht Stein oder Beton „halten ein Haus zusammen“, sondern es ist der Raum. Ich verwende Materialien, Edelstahl, Kupfer, Glas oder Kristall, um diese imaginäre, nicht greifbare Sphäre abzubilden.
Welche Entwicklungen erwarten den Kunden in Zukunft?
Ich würde sagen, dass LED-Leuchtmittel und Smart Home-Steuerungssysteme immer wichtiger werden. Bei den LED-Leuchtmitteln warte ich noch auf die perfekten Dioden. Obwohl sich die Technologien in den letzten Jahren entscheidend verbessert haben, ist das Licht nachwievor noch nicht ideal. Die Lichtintensität und die Farben sind so wichtig für unser Wohlempfinden und für die Sehweise unserer Umgebung. Ganz ähnlich ist es bei der kulinarischen Zubereitung beispielsweise eines perfekt gebratenen Stück Fleischs mit frischen Gemüsesorten. Die eindrucksvolle Art, wie wir dann das Essen sehen, bestimmt zu einem großen Teil unsere kommenden Erlebnisse. So ist es auch mit dem Licht.
Eine letzte Frage. Welche Projekte an welchen Orten/in welchen Räumen möchten Sie noch umsetzen?
Wissen Sie, ich möchte mit Architekten „Erzählungen“ erlebbar machen. Anstatt Architektur durch Wände zu bestimmen, bevorzuge ich, Architektur als Raum, Licht und Erfahrung zu definieren. Die Erfahrung, also die Art und Weise, einen Ort zu verstehen und das Verständnis für einen Ort zu haben, hinzuzufügen, das ist das, was ich tue und was ich gut kann.
William, vielen Dank für den persönlichen Eindruck in Ihre Arbeit.
Das Interview führte Elena Berkenkemper.
William Brand
Künstler und Architekt. Nach seinem Abschluss an der Kunsthochschule Utrecht entwarf er für viele Jahre – als preisgekrönter Möbeldesigner – Gebäude und Innenräume für Modemarken, dazu gehört auch die Zentrale von Brand van Egmond. Seine Architekturentwürfe waren stets minimalistisch, im Gegensatz zu seinen mächtigen Leuchtskulpturen. Für ihn sind seine Leuchten die Vollendung eines Raums. Seine Art des Arbeitens ist ganz auf ein Projekt zugeschnitten. Wenn er die Idee mit einem Kunden vereinbart hat, arbeitet er wie ein Bildhauer, der mit seinen Händen experimentiert, oft mit unerwarteten Ergebnissen. Das langsame Entstehen einer Leuchtskulptur ist für William Brand genauso fesselnd und wichtig wie das Ergebnis.