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Seelisches Wellbeing durch Design

CUBE sprach mit Matteo Thun über das Mailand von früher und heute sowie über das Design als Therapie

CUBE: Wenn man zu Ihnen recherchiert, erfährt man, Sie hätten eine Vorliebe für waghalsige... mehr
CUBE: Wenn man zu Ihnen recherchiert, erfährt man, Sie hätten eine Vorliebe für waghalsige Sportarten wie Autorennen, Drachenfliegen oder Skeleton. Sind Mut und Kühnheit wichtig, wenn es darum geht, Produkte zu entwerfen und Häuser zu bauen?

Matteo Thun: Ohne Mut – keine Veränderungen.

Ihre Arbeit umfasst eine ungeheure Bandbreite. Sie entwerfen Espressotassen, Wasserhähne, Möbel, ebenso bauen Sie Luxushotels oder Flüchtlingsunterkünfte. Was treibt Sie an, in so vielen unterschiedlichen Maßstäben zu arbeiten?

Alle italienischen Architekten arbeiten in kleinem wie in großem Maßstab. Es gab 1952 einen fantastischen Vortrag von E. Rogers („vom Löffel zur Stadt“), der den Ansatz der Mailänder Designschule in die Welt brachte. Die Idee war, dass man morgens an einem Löffel arbeitet und abends an einer Stadtplanung. Ettore Sottsass und auch Achille Castiglioni – meine Vorbilder – haben nach dieser Maxime gearbeitet und am Ende hat dieser Ansatz „Made in Italy“ groß gemacht. Dieser ganzheitliche Prozess ist sehr anspruchsvoll – wir versuchen dieses Erbe weiterzuführen.

Sie sind Mitbegründer von Sottsass Associati und der Gruppe Memphis im Mailand der 1980er-Jahre. Wie unterscheidet sich die Designszene in Mailand von damals zur der von heute?

Mailand ist heute wesentlich etablierter als damals, Anfang der 80er. Heute haben sich viele Zulieferer und Hersteller rund um Mailand angesiedelt, sodass sich Entwicklungsprozesse von Designprodukten schnell und effizient gestalten lassen. Nach wie vor steht dieses Miteinander für „speed“ und Erfindungsgeist.

In den letzten Jahren gab es eine Renaissance des Memphis Stils. Das Label Hay aus Dänemark arbeitet mit Nathalie du Pasquier, Werke von Ettore Sottsass erzielen auf Auktionen Höchstpreise. Wie erleben Sie das wiederentdeckte Interesse an Memphis?

Trends sind nun mal zyklisch angelegt. In einer verwandten Form kommt fast alles nach einigen Generationen wieder. Das gilt für Mode, Design, Grafik etc. Es hat nichts mit Nostalgie zu tun, sondern nur mit dem Lauf der Zeit.

Eines Ihrer aktuellen Projekte ist die Installation „Grand Hotel Design Therapy“ für Elle Decor in Mailand. Inwieweit unterscheidet sich Ihr Konzept von dem des in den 1990er-Jahren aufkommenden Trends des Wellness Hotels?

„Hospes“ (lat.) bedeutet „Gast“. Wir haben die Ausstellung „Design Therapy“ genannt, weil wir versuchen die Ästhetik von Hotels mit der von Hospitälern zu verbinden. Wir zeigen weder ein Hospital noch ein Hotel, sondern das Ergebnis einer Symbiose von Gesundheit und Tourismus. Wir versuchen über Natur und Natürlichkeit, über die Stimulation der Sinne, über Frische von Lebensmitteln körperliches und seelisches Wellbeing zu erreichen. „Design Therapy“ zeigt die Stärke eines einfachen, schlichten Designs für eine Vision von Hospitality, die fühlbar und präventiv ist und bei der die Kraft der Natur eine zentrale Rolle spielt. Wellness Hotels sind etwas anderes …

Der Fitnessbereich kommt bei Ihrem Zukunftshotel ohne technische Geräte aus, stattdessen gibt es dort wie in einer alten Turnhalle Sprossenwände und Medizinbälle. Was gefällt Ihnen nicht an einem modernen Fitnessstudio?

Ich finde gerade den Sportraum der Ausstellung modern! Es gibt keine Technik, nichts ist digital. Hier geht es nicht ausschließlich um den Körper, sondern um ein ganzheitliches Work-out, das Disziplin, Dynamik, Vitalität und Willensstärke fördert und erleben lässt.

Eine weitere aktuelle Arbeit ist die Bar Campari in Wien. Warum war Ihnen dieses Projekt eine Herzensangelegenheit?

Ich habe zwischen 1985 und 1995 intensiv mit Campari und der Besitzerin von Campari zusammenarbeiten dürfen und habe Shaker und Gläser für Campari gestaltet.

Sie trinken selbst gerne Campari. Bevorzugen Sie ihn als Spritz, Negroni oder Garibaldi und warum schmeckt er Ihnen so gut?

Wenn ich in Mailand bin, trinke ich zum Aperitivo entweder einen Spritz – oder Campari Soda – direkt aus dem kleinen Fläschchen von Depero. Form, Farbe und Leichtigkeit machen es zur Ikone.

In Wien haben Sie 13 Jahre lang als Designprofessor unterrichtet. Sie raten aber ab, eine Designschule zu besuchen. Was stimmt nicht an der heutigen Form der Ausbildung?

Ich empfehle den jungen Leuten, sich einen Meister zu suchen, bei dem sie alle handwerklichen Grundlagen kennenlernen. Kreativität braucht Know-how als Basis.

Sie gelten als einer der Vorreiter des ökologischen Bauens und arbeiten vor allem mit Holz sowie lokalen Rohstoffen. Wie können Architekten sich in die aktuell so intensiv geführte Debatte um den Klima- und Umweltschutz einbringen?

Wir versuchen, zwei Wörter aus unserem Wortschatz zu eliminieren: Nachhaltigkeit und Ökologie. Beides ist Pleonasmus – es ist also völlig unnötig, darüber zu sprechen. Denn wenn ein Architekt nicht nachhaltig ist, nicht ökologisch handelt, dann sollte er diesen Beruf nicht ausüben. Wir haben die beiden Worte mit Dauerhaftigkeit ersetzt. Mit ästhetischer und bautechnischer Dauerhaftigkeit. Auch die Autorenschaft soll nicht ablesbar sein.

Sie haben mit „Three Zero“ ein eigenes Zertifikat entwickelt. Warum reichen Ihnen die zahlreichen bestehenden Umwelt-Zertifikate nicht aus?

Sie sind einfach zu kompliziert – für den Bauherren als auch für den späteren Bewohner oder den Gast im Hotel. Unsere Architektur ist nachhaltig und steht für: Null Kilometer: Baustoffnähe und lokale Kompetenz. Null CO₂: Energiemanagement und weniger Emissionen. Null Abfall: Lebenszyklus-Management im Bauprozess und Wiederverwendung von Baustoffen. Das ist leicht zu merken und leicht zu verstehen.

Mit Ihrem Konzept des No-Designs wenden Sie sich gegen den Starkult in der Architektur und im Design. Welche Rolle sollte der Designer in der Arbeit mit Auftraggebern und in der Gesellschaft heute einnehmen?

So wie wir bei Architekturprojekten versuchen, den Genius Loci so gut wie möglich zu verstehen, versuchen wir auch, die DNA der Marken zu studieren, für die wir entwerfen.

Herr Thun, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Peter Steinhauer.

(Erschienen in CUBE München 04|19)


Matteo Thun

Der Architekt und Designer Matteo Thun ist 1952 in der deutsch- und italienischsprachigen Region Südtirol, Italien, geboren. Thun studierte an der Salzburger Akademie bei Oskar Kokoschka und Emilio Vedova, sein Architekturstudium schloss er an der Universität Florenz mit cum laude ab. Er gehörte zusammen mit Ettore Sottsass 1981 zu den Mitbegründern der Gruppe „Memphis“ in Mailand.

2001 gründete er Matteo Thun & Partners. Heute hat das Architektur- und Designstudio seinen Hauptsitz in Mailand und eine weitere Niederlassung in Shanghai. Matteo Thun & Partners sind spezialisiert auf Hospitality, mit besonderem Fokus auf Luxushotelprojekte und Residenzen. Von 1990 bis 1993 war Matteo Thun Creative Director der Uhrenmarke „Swatch“. Sein zusammen mit Künstler Robert Wilson realisiertes Hotel „Side“ in Hamburg wurde 2001 „Hotel des Jahres“. Matteo Thun gestaltete auch den Münchener Promiclub P1.

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