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Lebenssymbol Baum

Einer der erfolgreichsten seines Metiers: Der Schweizer Landschaftsarchitekt Enzo Enea

CUBE: Sie schaffen mit Hilfe der Natur dreidimensionale Kunstwerke. Ihr „Baummuseum“ hier in... mehr
CUBE: Sie schaffen mit Hilfe der Natur dreidimensionale Kunstwerke. Ihr „Baummuseum“ hier in Rapperswil-Jona ist so ein Gesamtkunstwerk – was ist die Idee dahinter?

Enzo Enea: Mit dem Baummuseum wird mein Ideal der Landschaftsgestaltung Wirklichkeit. Hier kann ich Natur, Architektur, Botanik und Kunst völlig frei als Lebensraum für den Menschen komponieren und dem lebensspendenden Baum ein Denkmal setzen.

Zudem gibt es auf dem Gelände eine Kunstsammlung internationaler Künstler …

Ja, Kunst spricht aus, was wir zu fühlen, aber nicht zu sagen vermögen. Sie berührt grenzüberschreitend und somit verbindend. Die von Menschenhand gestalteten Skulpturen stelle ich in den Dialog zu den von der Natur geformten Baumskulpturen. Neues entdecke ich bei Besuchen der internationalen Kunstmessen oder in Gesprächen mit Experten.

Sie erschaffen Gärten auf der ganzen Welt – wie kann man es in Ihrem Metier zu solch einem überwältigenden Erfolg bringen? Sind Sie ein Workaholic?

Schauen Sie – wie soll ich sagen – ich bin jemand der am Morgen aufsteht und versucht, zu leben. Es ist nicht Arbeit in dem Sinn, es ist für mich Leben. Manchmal ist es ein bisschen stressiger durch die Distanzen. Aber es ist kein Muss, sondern es ist Freude und Passion.

Diese vielen Projekte können Sie unmöglich alleine bewältigen …

Noch immer geht jedes Projekt über meinen Schreibtisch. Aber Sie haben schon recht – ohne mein großartiges Team könnte ich all diese Projekte nicht meistern, nur schon der Distanzen wegen. So führen wir ein Büro im Miami und eines in New York. Und hier die Zentrale in Rapperswil-Jona mit rund 250 Leuten. In Deutschland zum Beispiel ist es so, dass ein Landschaftsarchitekt gar nicht selbst ausführen darf, weil eine Ausschreibung stattfinden muss und dann eine Gartenbaufirma übernimmt. Enea ist als Full-Service-Dienstleister aufgestellt. Wir haben Schreiner, Elektriker, Sanitärleute, Metallbauschlosser, Bildhauer, Baumspezialisten, Gärtner, Landschaftsarchitekten und Ingenieure. Wir arbeiten als Team und es geht darum, höchste Qualität bei allen Arbeitsschritten sichern zu können.

Die Grundkenntnisse eines Landschaftsarchitekten sind erlernbar, aber der Rest ist Intuition und Talent – wie sehen Sie sich selbst?

Es ist sicher wie in jedem Beruf – den theoretischen Teil lernt man und den Praktischen muss man meistern. Man kann diese Fähigkeiten durch das Studium der Meister erweitern, aber ich glaube, der größte Teil kommt durch die Leidenschaft und die Passion zum Beruf. Ich glaube, das ist auch der Ansporn eines Sportlers, eines Kunstmalers, eines Schriftstellers oder eines Musikers.

Wie ist Ihre Herangehensweise an die jeweilige Aufgabe?

Meine Philosophie ist der Genius Loci, der Geist des Ortes. Ich versuche, jeden Ort zu lesen, ich möchte einen Garten erschaffen, der zum Ort passt. Ich dekoriere nicht, ich integriere. Dafür berücksichtige ich die Geologie, die Winde, den Sonneneinstrahlungswinkel und die Bestimmung des Raumes an und für sich, wie er genutzt wird.

Da Sie international arbeiten, haben Sie es mit ganz unterschiedlichen klimatischen Bedingungen und anderer Vegetation zu tun, und Sie müssen sich da zurechtfinden.

So ist es – dafür gibt es dann die botanischen Gärten. Wir überlegen uns, was vor Ort möglich ist und anhand der vorliegenden Gegebenheiten und Wünsche der Kunden wird eine Idee erarbeitet. Daher sind wir ja keine Künstler, wir sind Landschaftsarchitekten. Wir können nicht in dem Sinne „freie Kunst“ machen. Gesetzliche Vorgaben, Herausforderungen hinsichtlich Klima, Raumknappheit und natürlich das gegebene Budget machen unsere Projekte komplex.

Gerade entsteht auch in München ein neuer Garten und zwar die Außenanlagen des „Karl“ nach dem Entwurf von David Chipperfield – was planen Sie dort genau?

Das ist ein Hofgarten. Es ist ein kleiner Park mit großen Sitzbänken. Er kann für Mittagspausen genutzt werden oder für Gespräche unter Mitarbeitern. Man sieht von allen Seiten rein – es ist ein sehr schönes Bild, auch zum Arbeiten oder als Erholungsort im Freien.

Ihre gestalterischen Konzepte basieren auf dem Verschmelzen von Outdoor und Indoor. Würden Sie sagen, das ist das zentrale Charakteristikum Ihrer Arbeit?

Das ist das Wichtigste überhaupt. Durch die großen Fensterscheiben heutzutage – man baut ja fast nur noch mit Beton und Glas – hat man diese Durchmischung. Man sieht eigentlich innen und außen als Einheit. Was wir versuchen, ist, den Perimeter so zu nutzen, dass die Aussichten, die Materialien und auch der Schutz vor der Sonne in die Gestaltung integriert sind – dass man z. B. einen Baum davorstellt, der Schatten spendet. Wir planen alles sehr genau und berücksichtigen alle Faktoren – darum kommen Kunden zu uns. So stimmt das Mikroklima vor Ort und aus dem Garten wird ein Lebensraum für Generationen.

Sie „retten“ auch Bäume – wie muss man sich das vorstellen?

Das ganze Baummuseum ist so aufgebaut. Wir haben Bäume von verschiedenen Orten gerettet, die man sonst umgesägt hätte. Privatgärten, Spital- oder Universitätserweiterungen forderten mehr Platz. Wir haben eine spezielle Wurzelschnitttechnik, die uns erlaubt, sehr nah an den Stamm zu gehen, wo der Baum sehr schnell Wasser zieht, sodass er mit einem Erdballen transportiert werden kann. Wir sind jetzt so weit, dass wir das in unterschiedlichen Klimazonen anwenden, es funktioniert mit verschiedensten Baumarten. Wir können auch mit tropischen Bäumen solche Verschiebungen machen oder bei sehr alten Bäumen. Anstatt sie zu fällen, kann man sie versetzen. Wenn man z. B. eine sehr alte Linde einfach fällt, muss man 2.000 neue Linden setzen, um denselben Sauerstoffaustausch zu haben. Wenn man 2.000 neue Bäume setzt, kostet das erstens viel Geld und zweitens hat man nie diesen Schatten und dieses Mikroklima, den ein schöner alter Baum gibt. Das ist etwas sehr sehr Wertvolles und das nehmen die Leute einfach nicht mehr so wahr. Das war mit ein Grund, warum ich das Baummuseum gebaut habe. Wo ich all die Bäume gesammelt habe, die wir gerettet haben, und wo wir sie als etwas Wertvolles zeigen. Insgesamt haben wir ungefähr 2.000 Bäume hier. Im Baummuseum sind es jetzt 50.

Sie haben auch ein Laboratorium – was geschieht dort?

Im Laboratorium untersuchen wir die Bäume auf gute Schnitttauglichkeiten. Wir testen die Bäume auch auf ihre Klimaverträglichkeit im Hinblick auf das sich verändernde Klima. Bäume, die man früher setzen konnte, kann man heute nicht mehr setzen. Man muss die Stämme mit weißer Kreide beschmieren, weil sie sonst Sonnenbrand bekommen. Die UV-Strahlung ist deutlich stärker geworden. Also muss man Bäume mit dünnen Rinden viel mehr schützen – und das ist ein Problem. Aber es gibt natürlich andere Bäume, die das besser aushalten, die dann aber andere Böden brauchen. Das sind so Tests, die wir ständig machen. Wir arbeiten hier vor Ort mit Dendrologen und Biologen zusammen.

Welche Ihrer zahlreichen Projekte würden Sie besonders hervorheben – auf welche sind Sie besonders stolz?

Das Baummuseum, auf das bin ich besonders stolz – das ist das Herz. Das ist ein Projekt für Generationen. Daran werde ich mein ganzes Leben arbeiten. Natürlich sind Projekte wie das „Karl“ mit Chipperfield sehr spannend oder die „Twisted Towers“, die wir gerade mit Bjarke Ingels in New York machen. Das letzte Projekt mit Zaha Hadid, ein futuristischer Tower in Miami, haben wir gerade fertiggestellt. Mit OMA haben wir auch gearbeitet, mit Tadao Ando haben wir gerade ein Projekt in Peking fertiggestellt. Mit Antonio Citterio kreieren wir Projekte, mit Sou Fujimoto planen wir gerade das Learning Center der Universität St. Gallen. Auch mit Herzog & de Meuron arbeiten wir zusammen. Das sind allesamt spannende Projekte – sehr verschiedene Architekten mit unterschiedlicher Denkweise. Es ist sehr inspirierend und motivierend, mit Architekten dieses Renommees zu arbeiten.

Vergangenes Jahr waren Sie offizieller Partner auf der Art Basel – welches war die Message Ihrer dort gezeigten Arbeit „Use/Abuse“?

Wir haben bei 800 Jahre alten Olivenbäumen die Ballen mit einer Bondage-Technik eingepackt und wollten damit zeigen, dass wir in den Städten aufpassen müssen, dass nicht das so genannte Greenwashing entsteht. Es werden ja viele Gärten und Parks in den Städten gebaut – als Dekoration. Aber die Bäume können nicht wurzeln, weil überall Tiefgaragen sind, und auch nicht in die Breite gehen, weil links und rechts Beton oder Glas ist, also Reflexion. Dazwischen sind diese zierlichen Bäumchen. Wir wollten damit zeigen, dass man den Pflanzen Platz geben muss zum Wachsen, sonst funktoniert das wie bei der Bondage, je mehr der Baum sich bewegt und wächst, desto mehr wird er eingeschnürt. Das war die Technik der Samurai, wie sie ihre Gefangenen transportiert haben. Je mehr die sich bewegten, desto mehr hat es sie eingeengt. Und so habe ich einen 800-jährigen Baum gezeigt, weil wir nie mehr 800-jährige Bäume haben werden, wenn wir so weitermachen.

Ein ebensolches Statement gaben Sie mit dem gemeinsamen Projekt mit Klaus Littmann „For Forest“ wenig später in Klagenfurt ab.

Die dortige Arbeit entstand nach einer Skizze von Max Peintner – er hat einen Park in ein Stadion gezeichnet. Das war 1973. Der Titel war „Natur als Anschauungsobjekt“. Klaus Littmann kam zu mir und hat gefragt, ob ich so einen Park umsetzen kann. Ich habe gesagt: „Kann ich – aber ich mache keinen Park, sondern einen Wald.“ Denn das Problem ist, die Monokultur, die wir machen, beeinträchtigt die ganze Biodiversität. Die Forstwirtschaft pflanzt eigentlich nur Tannenbaum an Tannenbaum mit möglichst wenig Abstand, sodass er Licht von oben hat und auf der Seite keine Äste treibt, damit man sauberes Holz hat – einfach nur Holzproduktion und fertig. Das ist in Deutschland, Österreich, der Schweiz, überall das Gleiche. Und das ist falsch.

Und wir schauen die Natur an als Seltenheit, wie die Tiere im Zoo.

Ja genau – das war dann letztlich die Aussage. Natur als Anschauungsobjekt.

Sie erweitern also die Kunst der Garten- und Landschaftsgestaltung um die Dimension des Klimaschutzes?

Ja – oder besser gesagt, wir müssen deutlicher darauf hinweisen, dass unsere Landschaftsgestaltung an sich schon eine Verbesserung des Klimas bewirkt, mit jedem Garten, den wir schaffen – und das über Generationen.

Herr Enea, wir danken für das Gespräch.

Das Interview führte Christina Haberlik.


Enzo Enea

Enzo Enea wurde im Jahr 1964 in Rüti im Schweizer Kanton Zürich geboren. Nach einer Ausbildung zum Industriedesigner studierte er bis 1984 Landschaftsarchitektur an der University of Greenwich und am Chelsea Physic Garden of London. Danach reiste Enea nach Brasilien und Hawaii, wo er sein erstes großes Landschaftsprojekt für ein Sheraton-Hotel entwarf. Enea erhielt zahlreiche Preise auf den Giardina-Messen von Basel und Zürich. Außerdem wurde er 1998 mit dem Newcomer Preis der renommierten Chelsea Flower Show in London ausgezeichnet. Eine umfassende Dokumentation seiner Werke findet sich im Buch „enea private gardens“. Neben seiner Tätigkeit als Landschaftsarchitekt ist Enea auch Kunstsammler. Ausgewählte Werke namhafter Künstler stellt er in seinem Baummuseum aus, darunter Arbeiten von Martin Kippenberger, Sylvie Fleury, Jean Dubuffet und Jaume Plensa.

(Erschienen in CUBE München 01|20)

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