Haus Volksgartenstraße
Die Wiederherstellung eines Wohngebäudes der Jahrhundertwende
Das Wohngebäude in der Kölner Volksgartenstraße wurde im Rahmen der Stadterweiterung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ca. 1904, errichtet. Nach längerer Schattenexistenz als Spekulationsobjekt und durchweg im Zustand einer baufälligen Ruine wurde es komplett saniert, um- und ausgebaut.
Der Architekt Ulrich Wiegmann, heute selbst im Haus wohnend, erläutert den ungewöhnlichen Werdegang der Sanierung. Sieben Parteien ergriffen die Initiative, die vernachlässigte, lange schon leerstehende Immobilie vom Vorbesitzer zu übernehmen und umfassend zu reanimieren. Zunächst von einem Bekannten für die Bewertung einer der Wohnungen hinzugezogen, fand Ulrich Wiegmann sofort Gefallen an dem Haus und der Idee, die verfallene Schönheit wieder herzustellen, großzügige, zeitgemäße Wohnqualitäten zu schaffen und selbst Bewohner des Hauses zu werden. Tatsächlich einigten sich alle beteiligten Teileigentümer darauf, die Gesamtplanung für Sanierung, Um- und Ausbau des Hauses und aller 13 Wohn- bzw. von Freiberuflern genutzten Ateliereinheiten in eine Hand zu geben. Das Ergebnis spricht für sich! Es ist eine harmonische Einheit aus Alt und Neu entstanden. Die noch vorhandenen, Identität schaffenden, historischen Elemente wurden behutsam und im Einklang mit dem Denkmalschutz vorsichtig wiederhergestellt und durch zeitgemäße Elemente selbstbewusst und zugleich in Respekt vor der Geschichte ergänzt.
Die mehrachsige, reich gegliederte und unter Denkmalschutz stehende Stuckfassade im historisierenden Stil ist Teil einer klassischen städtischen Blockrandbebauung. Der repräsentative Charakter der Fassade und ihre akzentsetzende Wirkung im Erscheinungsbild des alleeartigen Straßenzuges wird besonders durch den zentralen herausspringenden Gebäudeteil mit angegliederten Balkonen deutlich. Der eingefasste Vorgarten gibt dem Gebäude räumlichen Abstand zur belebten Straße und betont dessen noblen Charakter. Vorder- und Hinterhaus werden über einen zentralen Lichthof mit angeschlossenem Haupt- sowie Nebentreppenhaus und einen Aufzug erschlossen. Die L-förmige Grundform ermöglicht großzügige Einheiten sowohl zur repräsentativen Straßenseite als auch zum ruhigen Innenhof.
Nach Abschluss der Bauarbeiten ist das Haus wieder als ästhetische Einheit erlebbar. Große Wohnungen und großzügige öffentliche Bereiche bestimmen wie ehemals seinen souveränen und selbstbewussten Charakter und geben ihm seine Identität zurück. Dieser Eindruck wird besonders in der Gestaltung des Lichthofes deutlich. Vor Beginn der Bauarbeiten lediglich ein interner Belichtungsschacht im Gebäude wird er jetzt zum vertikalen Raum, der sich nach oben weitet, um seine große Höhe optisch noch zu steigern und sich zum Himmel zu öffnen. Er ist nicht länger nur ein einfacher funktionaler Raum, sondern wird zum zentralen und inszenierten Gebäudemittelpunkt, in dem das Thema Höhe als räumliche Dimension erfahrbar wird.
Zeitgemäße, moderne Architekturelemente thematisch inszeniert verbinden sich in diesem Gebäude respektvoll und selbstbewusst mit dem Vorgefundenen, dessen ästhetische und geistige Qualitäten sie interpretieren und fortführen.
Die Vielfalt in der Einheit ist das ästhetische architektonische Ziel dieser Wiederherstellung, das mittels einer präzisen und begrenzten Auswahl von Formen, Farben, Strukturen und Materialien erreicht wurde, vom Außenraum über die halböffentlichen Bereiche des Entrees und der Treppenhäuser bis hin ins Detail jeder Wohnung.
Dabei ist das Alte Ausgangspunkt und Vorgabe für das Gestaltungskonzept, das alle Elemente zu einem Gesamtbild vereint und damit die Geschichte des Hauses als einen fortlaufenden und weiterführenden Prozess versteht, in dem seine Veränderbarkeit und Wandlungsfähigkeit Voraussetzung für sein Bestehen im kontinuierlichen Verlauf der Zeit ist.
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