Früher Gerling, heute Hotel
Der Südspange des historischen Ensembles wurde neues Leben verliehen
Wenngleich die HDI-Gruppe vor über zehn Jahren den Kölner Versicherer Gerling übernommen hat und mittlerweile selbst der Name des 1904 gegründeten Konzerns nicht mehr mitgeführt wird, so wird die Marke Gerling überleben, ist doch das Gerling Quartier im Friesenviertel weit über die Grenzen Kölns bekannt: Mit seinen Baudenkmälern der frühen Nachkriegsgeschichte zählt das rund 75.000 m² große Areal zur Wirtschaftswunder-Architektur der 1950er- und 1960er-Jahre.
Unter größter Berücksichtigung baukultureller Ansprüche wird das Ensemble seit 2010 umgebaut. Entstanden sind hochwertige Wohnungen, modernisierte Büroflächen sowie Hotel- und Gastronomieangebote, die dem Gerling-Quartier neues Leben einhauchen. Wie sich die historische Bausubstanz mit zeitgenössischer Architektur verbinden lässt, zeigt nun auch das jüngst eröffnete Hotel „The Circle“ im prägnanten Rundbau Am Klapperhof, 1966 von den Architekten Sobotka und Müller fertiggestellt. Für den gestalterischen und technischen Umbau zeichnet das Büro O&O Baukunst, Köln verantwortlich.
Wie geht man heute mit der Nachkriegsmoderne um? „Jeder neue Bau muss heute mit dem Alten dealen. Diese Aneignung wird gerne als konservativ, bürgerlich oder rückschrittlich bezeichnet − ein Stigma, dem man sich als ‚kreativer‘ Architekt gerne entzieht. Jeder Architekt sollte offensiv die Chance nutzen, in vergangene Zeitschichten hineinzuschlüpfen, die damaligen Fragen und Lösungen aufzuwärmen und sie am Ende selbstlos weiterzubauen“, so die Antwort von Christian Heuchel, Architekt und geschäftsführender Gesellschafter bei O&O Baukunst. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben Christian Heuchel und sein Team zunächst die historische Steinfassade mit ihrer starken Reliefierung denkmalgerecht wiederhergestellt sowie Details aus vergangenen Zeiten, wie beispielsweise vorhandene Wasserbecken und Wasserspeier, wieder aktiviert. Als besonderen Abschluss und als Reminiszenz an die Formensprache der 1960er-Jahre haben die Architekten ein Staffelgeschoss aus goldeloxiertem Stahl ergänzt. In der denkmalgeschützten Eingangshalle befinden sich heute Foyer, Rezeption, Cafeteria und Aufenthaltsbereiche. Unter dem Motto „Kühl, modern und leicht“ wird das Flair der 1960er-Jahre im Innern fortgesetzt und mit wiederkehrenden Materialien wie große Glasflächen, durchgehende Steinböden, filigrane Leuchten und im Goldton gefärbte Stahlfassaden betont. Die Zimmer selbst beziehen sich auf die Geometrie des Rundbaus und verteilen sich axial in einen „Innercircle“- und „Outercircle“-Bereich. On Top befinden sich das öffentliche Restaurant und die Bar mit Dachterrasse, von der die Gäste ihren Blick über die Dächer der Stadt bis zum Kölner Dom schweifen lassen können – so lassen sich auf wunderbare Weise Geschichte und Erinnerungen gleichermaßen bewahren und erleben.
www.ortner-ortner.com
Fotos:
Steve Herud
Mario Brand