Ein Haus mit vielen Gesichtern
Low-Tech-Villa am grünen Rand von Köln
Wo sich einst ein Bau aus den 50er Jahren befand, trifft man heute auf diese imposante Villa. Nachdem das alte Haus abgerissen wurde, konnten die Architekten Gattermann + Schossig hier am südwestlichen grünen Rand von Köln mit dem Bau beginnen. Dabei wurde das neue Gebäude, das am Ende einer Sackgasse liegt, teilweise auf den alten Grundmauern des abgerissenen Baus errichtet.
Entstanden ist eine vielfach teilbare Villa, die sich sowohl an die Gegebenheiten der Nachbarschaft aus Steildachhäusern der fünfziger Jahre als auch an den alten Baumbestand des eigenen Grundstücks anpasst. Dabei setzt sich der Baukörper mit seinem zweigeschossigen weiß verputzen Massivbau, einem an- und übergelagerten Aluminium-Glas-Körper und zwei flankierenden eingeschossigen Holzkuben wie ein Puzzle zusammen. Dies sorgt für den spannenden Effekt, dass die Gesichter des Gebäudes sehr unterschiedlich sind: während sich das Gebäude in der Hauptfassade zur Straße nach Norden als homogene Fläche aus weißem Putz ohne Trennfuge geschlossen präsentiert, ist es durch die Loggia zum Garten nach Westen hin stärker geöffnet. Zum Süden schließlich ist es vollständig transparent. Das Gebäude gipfelt in einem penthouseartigen Dachaufsatz, in dem der Schlafraum untergebracht ist. Dieser grenzt oberhalb der glasgedeckten Westloggia an eine großzügige Dachterrasse, von wo aus die Bauherren gleich nach dem Aufstehen einen weiten Ausblick genießen können. Durch zweigeschossige Lufträume im Eingangs- und Essbereich entsteht bei ansonsten normalen Raumhöhen ein großzügiges Raumgefühl. Dabei werden die Innenräume vor allem durch das Tageslicht in ihrem Charakter bestimmt. Zugleich unterstützt die Einbindung der Außenräume diesen räumlichen Aspekt. Im Schutz der Bäume entwickelt das Gebäude eine intensive Beziehung zwischen der räumlich komplexen, vielfach mit Kunstobjekten verstärkten und weit verglasten Innenwelt und einem nach ganz ähnlichen Schwerpunkten gestalteten Garten mit Wasserfläche und weiteren Kunstobjekten von Thomas Weil und Ansgar Nierhoff.
„Beim Anblick der langen Holzwand schwebte mir etwas Tänzerisches vor. Ein Relief mit nur einem Element: ökonomisch, zweckmäßig und haltbar. Auf der Suche nach Entwurfskomponenten bot die serielle Abfolge der braun-violetten Finnforest-Platten in den Maßen 250 mal 125 cm den entscheidenden Anstoß. Auf dieses inhärente Quadratraster von 125 mal 125 cm wurde ein Isiskreis-Ornament gelegt. Die resultierenden Seitenlängenmaße der um 22,5 Grad gekippten Quadrate maßen knapp 100 cm. Auf einem Meter als Grundmodul ließ sich ein Ornament nach meinem Proportionskanon aufbauen. Der nächste Schritt war, von dem vierseitigen Grundquadrat zwei Seiten wegzulassen und mit dem verbleibenden Winkel eine filigrane, tanzende Komposition zu entwickeln. Um sie leicht wirken zu lassen, wurde die Ansichtsbreite der Winkel auf zwei Fingerbreit oder vier cm festgelegt. Als Material wurde Edelstahl gewählt. Vier auf der Rückseite angeschlossene Gewindestangen ließen sich in vorgebohrte Löcher drücken. Die acht vom Isiskreis-Ornament vorgegebenen Winkellagen für die Stahlwinkel boten die ideale Systematik, um ein dem Tanz verwandtes Gesamtbild zu erzielen. In Rotation umkreisen die 17 Winkel ein unsichtbares Achteck und wirken stets kohärent sowie durch das Rastermaß fest mit dem Untergrund verbunden,“ erzählt der Künstler Thomas Weil.
Planungsziel war es, eine Gebäude zu schaffen in dem die technischen Anlagen emissionsarm arbeiten und eine deutliche Ressourcenschonung von Primärenergie und Trinkwasser sicherstellen. Daher wird für die Beheizung des Gebäudes und zur Bereitstellung von Brauchwarmwasser eine hocheffiziente Brennwert-Gaskessel-Anlage eingesetzt, die durch eine thermische Solarkollektoranlage unterstützt wird. Die thermische Kollektoranlage stellt über weite Zeiträume des Jahres Energie zur Brauchwassererwärmung sicher. Dabei ist die Anlage so konzipiert, dass überschüssig anfallende solare Wärme zur Heizungsunterstützung genutzt werden kann.
Die verwendete überaus filigran konstruierte Cell-Glazing Fassade auf der Südseite des Gebäudes, die mit der Firma Hansen aus Dänemark entwickelt wurde, gewährleistet mit Hilfe von motorisch sich nach außen öffnenden Klappen eine wirksame Nachtauskühlung. Dieser Effekt wird von den vielen Speichermassen der Decken, Wände und des Steinfußbodens noch verstärkt. Dank der hohen Bäume konnte auf Sonnenschutz-Elemente verzichtet werden. Im Winter wird der solare Zugewinn dagegen voll ausgenutzt. Der größte Teil des Wärmebedarfs für die Wasserversorgung wird über eine nicht sichtbare, dachintegrierte Solaranlage gedeckt. Durch die optimal angeordneten großen verglasten Fassadenelemente mit geeigneten bauphysikalischen Eigenschaften zur winterlichen Solarenergiegewinnung in Kombination mit dem Konzept der Heizungs- und solarthermischen Anlage, werden die geforderten Werte um 30 % unterschritten.
www.gatermann-schossig.de
Architekten
Gatermann + Schossig
www.gatermann-schossig.de
Fotos
Robertino Nikolic
www.robertinonikolic.com
Jens Willebrand
www.willebrand.com
Gatermann + Schossig
www.gatermann-schossig.de