Menschlicher Maßstab
Kalifornischer Traum im Hamburger Westen
Am Ende einer kleinen, von Hecken gesäumten Anliegerstraße im Hamburger Westen öffnet sich plötzlich der Blick auf ein lichtdurchflutetes Einfamilienhaus. Großzügig und hell gestaltet, löst es sofort Assoziationen aus an die großartigen Flachdachvillen von Richard Neutra im Süden Kaliforniens. Ganz zu Recht wie ein Gespräch mit den Bauherren ergibt.
Die erste große Ausstellung in Europa über das Spätwerk von Richard Neutra war 2010 im MARTa im ostwestfälischen Herford zu sehen. Was sie dort sahen, bestärkte die Immobilienberaterin Christine Kröger und den Fotografen Peter Hamel in ihrem Vorhaben, ihr Haus im Stile des in die USA ausgewanderten, österreichischen Architekten zu konzipieren. Die im von Frank Gehry entworfenen Museumsbau gezeigten Entwurfsskizzen, Zeichnungen und Modelle begeisterten die beiden vor allem durch die menschliche – weil offene – Bauweise.
Das zweigeschossige Haus mit Flachdach wurde nach dem Entwurf der Bauherrin realisiert. Großzügige, fast durchgängig geschosshohe Glasfronten lassen den Übergang zwischen Innen und Außen fließend erscheinen, das Gebäude wirkt hell und durchlässig und ermöglicht weite Durch- und Ausblicke. Der offene Baustil grenzt das Äußere nicht ab, sondern holt es optisch ins Haus hinein. Steht man z. B. im Essbereich des Erdgeschosses, wähnt man sich beinahe schon draußen. Der durchlaufend weiße Bodenbelag unterstützt die Wahrnehmung der fließenden Übergänge im Inneren und betont die eleganten Raumfolgen.
Durchlässigkeit und Transparenz finden sich auch im Obergeschoss. Die Dachterrassen sind sowohl vom Eltern-Badezimmer und Eltern-Schlafzimmer als auch von beiden Kinderzimmern aus zugänglich. Im Gegensatz zum Erdgeschoss wurden für die Böden, teilweise auch für Möbel und Wände, dunkle Farben gewählt, die auf dieser Ebene des Hauses Privatheit, Intimität und Rückzug symbolisieren.
Hohe Glaselemente und schlanke Decken lassen den Baukörper leicht und schwebend wirken. Die modernen, dreifach verglasten Aluminiumelemente mit extrem hohen Dämmwerten schaffen die thermischen Voraussetzungen, dass trotz offener Bauweise wenig Energie verbraucht wird. Eine Gas- Brennwert-Therme versorgt die 210 m² Wohnfläche und weitere 100 m² Nutzfläche im Keller per Fußbodenheizung mit angenehmer Wärme.
Dank exakter Südwestausrichtung des Gebäudes scheint die Sonne vom frühen Vormittag bis zum späten Abend ins Haus und schafft optimale Lichtverhältnisse, die der Fotograf besonders zu schätzen weiß. Die helle Bodenbeschichtung aus einem Gipsgemisch spiegelt das einfallende Licht auf vielfältige Art und Weise wider und erinnert an Richard Neutras „reflecting pools“. Er ordnete bewusst diese flachen, reflektierenden Wasserbecken im Haus an, die sich bis nach außen fortsetzten und entsprechende Lichtstimmungen ermöglichten.
Die an der Südwand und am hohen Kaminabzug verarbeiteten hellen Natursteine brechen mit ihrer Rauheit und Ursprünglichkeit die Gradlinigkeit und die formale Strenge des Gebäudes auf und sind eine weitere Reminiszenz an Richard Neutra. Das Kombinieren und Zusammenfügen der einzelnen Steine entpuppte sich als künstlerische Herausforderung für die Maurer und dankbares Schauspiel für vorbeischlendernde Nachbarn, von denen auch das größte Kompliment zum Haus kam: „Wir freuen uns, dass solch ein schönes Haus in unserer Nachbarschaft steht“.