Einfachheit und Echtheit
Designprodukte sind selbstverständlicher Teil des Alltags in Schweden
Wohnmagazine, Einrichtungsblogs und Designläden zelebrieren den skandinavischen Stil, weltweit ist nordisches Design aus Schweden, Finnland, Dänemark und Norwegen der Renner. Klare Linien, natürliche Stoffe und helle Farben prägen Räume und Gegenstände. Die bekanntesten Möbel und Leuchten kommen aus Skandinavien, sie sind international beliebt. Zum Siegeszug skandinavischen Designs bis in breite Bevölkerungsschichten hinein hat vor allem Ikea beigetragen, das nirgendwo so viel Umsatz macht wie in Deutschland. Und da sind wir wieder beim schon beschriebenen Bullerbü-Syndrom. Die Liebe vieler Deutscher zu Schweden gründet wohl in der Sehnsucht nach Einfachheit und Echtheit, zwei Haltungen, die auch das schwedische Design auszeichnen – auch als Reflexion auf Geschichte und Selbstverständnis der schwedischen Gesellschaft. Möbel und Gegenstände des täglichen Lebens mussten einfach und funktional sein, das oft harte Leben auf dem Land erleichtern. Zusammen mit der traditionellen Wertschätzung von Handwerk und dem gesellschaftlichen Gleichheitsgedanken entstand so seit den 1920er-Jahren der schwedische Funktionalismus, der Schönheit mit den Bedürfnissen des Nutzers zum Gestaltungsprinzip verband. Mit einem zutiefst demokratischen Verständnis von Design als Gestaltung für alle wurden – anders als in anderen Teilen Europa – Designprodukte in Schweden selbstverständlicher und bezahlbarer Teil des Alltags. Auch scheint es in einem Land, in dem man aus klimatischen und geographischen Gründen sehr viel Zeit in Häusern verbringt, schlichtweg ein Grundbedürfnis zu sein, gut zu wohnen und sich schön einzurichten.
Die nicht-hierarchische Herangehensweise ist vielleicht ein Grund, warum die Namen schwedischer Designer trotz ihrer Klasse nur wenigen geläufig sind. Die bekanntesten Gestalter der schwedischen Moderne sind Gunnar Asplund, der die Stockholmer Stadtbibliothek als Gesamtkunstwerk erschuf, Louise Adelborg, die das Geschirr Swedish Grace formte, Niels Strinning, der den Regalklassiker String entwarf oder Bruno Mathsson, der bereits mehrere Stuhlikonen entstehen lassen hat. Seit den 1990er-Jahren entwickeln junge Gestalter das schwedische Design auch durch bewusste Brüche und technische Innovationen fort. Die heutige Design-Elite Schwedens gehört mittlerweile zu den Stars des skandinavischen Designs und verkauft weltweit, hat aber auch keine Scheu, für Ikea erschwingliche und gute Massenware zu gestalten.