Wiedererwecktes Schätzchen
Ein Stadthaus in Oberkassel setzt Alt und Neu harmonisch in Beziehung
In den 1970er-Jahren lagen die Abrisspläne schon auf dem Tisch. Das gründerzeitliche, in einem belebten Viertel von Oberkassel situierte Stadthaus sollte zugunsten eines Neubaus weichen – wären da nicht die drei Enkelkinder des Eigentümers gewesen, die sich schon als Jugendliche für den Erhalt des Familienbesitzes stark machten. Das Haus durfte schließlich doch stehen bleiben – und als rund vierzig Jahre später nun eine umfassende Generalsanierung anstand, waren sich die Brüder schnell einig: Der Besitz sollte respektvoll erhalten, behutsam umgebaut und erweitert werden, obwohl er noch nicht einmal unter Denkmalschutz stand.
Die Kölner Architektinnen Maria Nagy und Monika Skudelny wurden mit der Sanierung und dem Umbau des Stadthauses beauftragt. In mehreren Bauabschnitten konnten sukzessive eine Kunstgalerie im Erdgeschoss und die drei darüber liegenden Wohnetagen kernsaniert werden. Vor allem die Holzbalkenköpfe der Geschossdecken entpuppten sich als marode und mussten entsprechend verstärkt werden. Die gründerzeitliche Straßenfassade wurde dagegen vollständig erhalten und dem historischen Originalzustand noch weiter angenähert: Das Dach wurde komplett abgebrochen und neu aufgebaut, wobei die in der Nachkriegszeit aus der Symmetrieachse verschobene Gaube wieder in den Mittelpunkt der streng symmetrisch aufgebauten Fassade gerückt wurde. Das neue Dach ist an der Firsthöhe des Nachbargebäudes ausgebildet: Eine höhere Gaube mit einer größeren Öffnung und mehr Tageslicht wurde dadurch möglich. Auf allen drei Wohnetagen wurden lichtdurchflutete wie ebenso offene Wohnungen mit einer hohen Aufenthaltsqualität geschaffen. Besonders sticht dabei die neue Dachgeschosswohnung heraus, die sich über ein weiteres Mezzaningeschoss mit Galerie erstreckt. Hofseitig bekamen alle Wohnungen weit auskragende Stahlbalkone angegliedert, die inmitten des idyllisch begrünten Innenhofes wie großzügige Außenwohnzimmer erscheinen. Um eine harmonische Verbindung von Alt und Neu zu schaffen, wurden sowohl die Holzkonstruktion des Daches als auch die statisch notwendige Stahlkonstruktion der Galerie sichtbar belassen. Auch bei den Brüstungen wurde allein auf eine Stahlbalustrade gesetzt – ohne jede weitere Glasabsturzsicherung. Alter Bestand und neue Ergänzung vervollständigen sich organisch und kreieren ein klassisches, zeitloses Miteinander.
www.nagy-architektur.de