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Büroleerstand in Wohnraum

Ein Gespräch mit den Architekten Konrath und Wennemar über die Umnutzung des Düsseltaler Thyssen Trade Center zum Wohnquartier, preiswertes Wohnen und woran es bei der Hinterhofverdichtung hapert

CUBE: Herr Wennemar, Sie werden das 2011 aufgegebene Thyssen Trade Center (TTC) an der... mehr

CUBE: Herr Wennemar, Sie werden das 2011 aufgegebene Thyssen Trade Center (TTC) an der Grafenberger Allee bis Ende 2015 zum neuen Wohnquartier Living Circle mit 350 Wohneinheiten umbauen. Lädt der ja gar nicht so alte Gebäudebestand - Baujahr 1991 – förmlich dazu ein oder bedeutet das doch eine besondere Herausforderung?

HARALD WENNEMAR: Umwandlungsprojekte sind ja eigentlich nie business as usual. Es gibt dabei so viele technische Parameter, die das Gesamtziel entweder befördern oder behindern – pauschale Antworten kann es da nicht geben. In unserem Fall lagen durchaus begünstigende Faktoren vor: Die Geschosshöhen und -tiefen sind tauglich für das Wohnen, auch wenn mehr Erschließungskerne integriert werden müssen. Dass die Bürogebäude als Skelettkonstruktion realisiert sind, ist ebenfalls ein Vorteil - das bietet viele Möglichkeiten bei der Grundrissaufteilung der Wohnungen. Bei den Balkons, die vor die Fassaden kommen, gibt es allerdings doch etwas erhöhten Aufwand, weil die Brüstungen der Gebäude statisch tragend sind. Auch beim Thema konstruktiver Brandschutz bietet sich eine ganz gute Ausgangslage, natürlich auch bedingt durch das junge Alter des Objektes.

OLIVER KONRATH: Abgesehen von diesen technischen Aspekten, geht es aber immer auch um die emotionale Frage: „Ist das überhaupt ein Objekt, was man sich als Wohnungsbau vorstellen kann?“. Unser Projekt besticht da durch seine vorteilhafte Grundanlage: Es ist keine lange Kiste, sondern es ist ein Ensemble kreisförmiger Strukturen, die sich um kleine Höfe gruppieren. Wenn die bestehenden Pavillonbauten in den Höfen, die früher Kantine und IT-Zentrum beinhalteten, abgebrochen sind, werden das Wohnhöfe mit grünen Innenbereichen und kleinen Gärten. Und die Bürorasterfassade wird natürlich durch eine belebte Wohnfassade mit Balkons und zu öffnenden Fenstern ersetzt. Auch die große, horizontale Masse der Gebäude werden wir aufbrechen, indem wir durch eine gewisse Vertikalität in der Fassadengestaltung deutlich kleinere Gebäudeeinheiten schaffen.

CUBE: Das TTC besticht ja durch seine starke städtebauliche Komposition, die sich wie ein homogener und doch nach außen offener Campus ausnimmt – ist das eine gute Ausgangsposition für eine starke Identität des Wohnviertels Living Circle?

H. WENNEMAR: Auf jeden Fall hilft das! Man darf ja nicht vergessen, dass wir es hier mit einer gemischten Lage zu tun haben. Wir kommen zwar mit vielen Wohnnutzungen nun in das Gebiet herein, aber es gibt ja auch Gewerbe weiterhin im Randbereich. Da ist es einfach identitätsbildend, wenn man diese geschlossenen, auf sich bezogenen Hofbereiche hat, die diesen Charakter des reinen Wohncampus erzeugen. Mit einem Durchmesser von 46 m werden die Höfe sehr großzügig bemessen sein, was räumlich natürlich sehr angenehm ist.

CUBE: Gibt es weitere Nutzungen, die noch fehlen und die Sie in das neue Wohnviertel integrieren werden?

H. WENNEMAR: Es wird auf jeden Fall noch eine Nahversorgung mit Einzelhandel geben, um eine Grundversorgung zu gewährleisten. Ferner werden wir eine Kita in den Randbereich eines Gebäudes integrieren, weil sich das Wohnangebot von Living Circle auch sehr stark an Familien richtet.

CUBE: Welche Grundrisse wird es denn eigentlich bei den Wohnungen geben?

H. WENNEMAR: Von den Wohnungsgrößen ist es ein eher kleinerer Wohnungsmix. Wir haben eine Mischung von 2-4-Zimmer-Wohnungen, werden aber wenige sehr große Wohnungen haben. Das zeigt sich auch in der durchschnittlichen Wohnungsgröße: die liegt hier bei etwa 80 m2. Zum Vergleich: Bei unserem Projekt MeinRaum in der Schwelmer Straße beträgt er 94 m2.

O. KONRATH: Das hängt aber eben auch mit dem Auftrag zusammen: Wir sind ja angetreten, mit diesem Projekt das Thema des preisgedämpften Wohnungsbaus zu bespielen. Am Ende einer längeren Verhandlungsphase hat man sich im städtebaulichen Vertrag darauf geeinigt, dass 30 % der Wohnungen zum Kaltmietpreis von 8,50 Euro/m2 angeboten werden. Natürlich wird es eine Preisstaffelung geben und es wird auch Wohnungen geben, die etwas teuerer sind - aber insgesamt wird das Preisniveau doch eher erschwinglich sein.

CUBE: Das Projekt ist ja noch von der alten Ratsmehrheit stark gefördert worden - sollte es auch eine Antwort sein auf die ja eher hochpreisige Bebauung im benachbarten, neu entstandenen Grafental?

H. WENNEMAR: An die Lage gebunden war das sicher nicht! Aber dieses Projekt ist von der Stadt Düsseldorf schon stark angestoßen worden, weil es in dieser Dimension natürlich ein politisches Leuchtturmprojekt ist, mit dem sich sehr gut darstellen lässt, wie man den Büroleerstand zu bezahlbarem Wohnraum umwandeln kann. Die beiden wichtigen politischen Themen, günstiger Wohnraum und Nachnutzung von Leerständen, finden ja hier geradezu kongenial zusammen!

CUBE: ...was ja auch in der Stadt sicher eher die Ausnahme darstellt - viele der bekannten Beispiele bewegen sich doch in bedeutend höheren Preissegmenten.

O. KONRATH: Das ist ein Thema, das jetzt aber kommt. Wir haben mehr und mehr solche Projekte auf dem Tisch, wenn auch nicht ganz in dieser Größenordnung wie dieses. Das hat damit zutun, dass die freien Grundstücke in der Region zunehmend knapp werden, und wenn man investieren will in den derzeit sehr attraktiven Wohnungsmarkt, sich nach Alternativen umschauen muss. Und da sticht der leerstehende Bestand natürlich ins Auge.

H. WENNEMAR: Oft sind es längerfristig anlegende Investoren, wie etwa Pensionskassen, die hinter diesen Projekten stehen. Die haben schon immer in Immobilien investiert, bisher vorwiegend aber in Büro- und Gewerbeimmobilien. Die denken jetzt zunehmend um und streuen ihre Anlagen mehr, sodass das Thema Wohnen ins Portfolio kommt. Da das jährliche Investitionsvolumen dieser Anleger oft vierstellige Millionenbeträge umfasst, sind sie auf der Suche nach deutlich größer dimensionierten Projekten. Die gibt es aber auf dem Markt innerstädtisch immer weniger, und wenn es sie gibt, wird man sie wegen der Preise kaum mit preisgünstigen Mietwohnungen bebauen. Deshalb fokussiert sich das Interesse bei diesen Investoren zunehmend auf Immobilienkomplexe mit Umnutzungspotenzial.

CUBE: Noch einmal zum preisbewussten Wohnen: Speziell bei diesem Projekt ging der Prozentsatz an preisgedämpftem Wohnen der früheren Opposition ja nicht weit genug, weil die Anlage zwar über 100 Wohneinheiten umfasst, aber das auf den Weg gebrachte „Handlungskonzept Wohnen“ dafür juristisch nicht greift. Hätte das dem Projekt einen Abbruch getan, wenn das Konzept dennoch zur Anwendung gekommen wäre?

O. KONRATH: Das ist letztlich nur ein Rechenspiel! Ich glaube, soweit ich es überblicke, wäre es eng geworden, wenn man tatsächlich die Quoten des „Handlungskonzeptes“ hätte realiseren müssen. Weitere 20 % geförderten Wohnungsbau hätte die Rendite deutlich weiter nach unten gedrückt - und allein wegen der technischen Gebäudeumrüstungen sind die Investitionskosten ja doch sehr hoch.

H. WENNEMAR: Man kann die im „Handlungskonzept Wohnen“ vorgeschriebenen Quoten schon so umsetzen, ohne getrennte Gebäude dafür zu planen - mit einer Quotenmischung, die sich über alle Gebäude verteilt. Das ist planerisch komplizierter, aber es funktioniert. Bloß darf man dabei nicht vergessen: Die möglicherweise ausländischen Investoren sehen erst einmal nur eine Bindung und Projekte mit Auflagen sind leider oft sehr unbeliebt in Portfolios!

CUBE: Erklärtes Ziel des neuen OB Thomas Geisel ist es, noch mehr preisgünstigen Wohnungsbau zu initiieren von den jährlich anvisierten 3.000 neuen Wohnungen. Dafür möchte er auch die Städtische Wohnungsbaugesellschaft (SWD) verstärkt mobilisieren. Halten Sie das für den richtigen Weg, um den Mangel anzugehen?

O. KONRATH: Man muss erst einmal abwarten, ob der SWD auch das gelingt - bisher war sie auf diesem Feld noch nicht in solchen Dimensionen tätig. Ansonsten würde ich erwarten, dass das weiterhin über die private Wohnungswirtschaft erfolgt. Zumindest ist da in den letzten Jahren ja schon viel angekurbelt worden, sodass die Zahl 3.000 womöglich gar nicht so unrealistisch erscheint. Was die Erhöhung des preisgedämpften Anteils angeht, so muss man etwas vorsichtig sein: Es gibt auch Standorte in Düsseldorf, wo preisbewusster Wohnungsbau gar nicht geeignet ist. Etwa in Oberkassel wird man diesen kaum benötigen - insofern hoffe ich, dass man ausgleichende Werkzeuge findet, die die Gesamtbilanz der Bauträger und Entwickler in einer Stadt sehen. Alles pauschal über einen Kamm zu scheren, wird die Immobilienwirtschaft sicher auf Dauer nicht so mitmachen.

H. WENNEMAR: Man darf ja dabei aber auch nicht die Realität der Bodenpreise vergessen! Das betrifft auch die Grundstückspreise, die die Stadt selbst bei Veräußerungen verlangt. Es wäre wünschenswert, dass sie sich stärker als bisher mit der Wohnungswirtschaft darüber verständigt, wie man die Preise in einen Bereich bringt, der überhaupt das „Handlungskonzept Wohnen“ wirtschaftlich zulässt. Ein anderes Thema ist: Wenn dieses Volumen wirklich umgesetzt werden soll, muss sich auch in der Stadtverwaltung einiges ändern. So wie die Bauaufsicht bisher personell aufgestellt ist, wird sie sich solche Zahlen gar nicht leisten können.

CUBE: Herr Konrath, Sie wohnen selbst in einem schmalen, zweigeschossigen Hofhaus, einen Steinwurf von Ihrem gemeinsamen Büro entfernt. Das von Ihnen entworfene Haus verdichtet den urbanen Bestand auf engstem Raum. Warum ist das ein oft vorgezeigter Einzelfall - aber kein Beispiel, das viele Nachahmer findet?

O. KONRATH: Zum einen ist es einfach sehr schwierig, in diesen Bestandssituationen Investoren zu finden. Zum anderen ist es aber auch ein aufwendiges Verfahren, solche Projekte überhaupt genehmigt zu bekommen. Die genehmigungsrechtliche Situation ist kompliziert, weil sie Lücken aufweist und nicht eindeutig ist wegen der nachbarschaftlichen Zusammenhänge. Die Genehmigungsverfahren dauern deshalb unendlich lange - was die Sache für Investoren allein wegen der Unkalkulierbarkeit des Ausgangs sehr schwer macht. Wenn es wirklich politisches Ziel sein soll, mehr in Bestands-Gemenge-Lagen nachzuverdichten, dann müsste bei Genehmigungsverfahren von Seiten der Stadtverwaltung proaktiver verfahren werden, planerische Ziele selbstbewusster mit nachbarschaftlichen Bedenken abgewogen werden. Das ist bisher aber oft leider nicht der Fall!

CUBE: Herr Konrath und Herr Wennemar, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Paul Andreas.


Oliver Konrath, Dipl-Ing. Architekt, MArch BDA
Geb. 1968 in Düsseldorf. 1988-1994 Studium RWTH Aachen (mit Auszeichnung). 1994-1995 Mitarbeit im Architektur­büro Till Sattler, Köln. 1996 Master an der Bartlett School of Architecture, London (mit Auszeichnung). 1996-2000 Mitarbeit im Architekturbüro Nicholas Grimshaw and Partners, London. 2000 Gründung des Büros Konrath und Wennemar Architekten Ingenieure, Düsseldorf. 2003 Berufung in den BDA.

Harald Wennemar, Dipl-Ing. Architekt BDA
Geb. 1968 in Arnsberg. 1989-1995 Studium RWTH Aachen. 1995-2000 Mitarbeit im Architekturbüro Ingenhoven Overdiek und Partner, Düsseldorf. 2000 Gründung des Büros Konrath und Wennemar Architekten Ingenieure, Düsseldorf. 2003 Berufung in den BDA. Seit 2005 Vorstand BDA, Düsseldorf. Seit 2009 BDA NRW. Seit 2011 Mitglied Vertreterversammlung AKNW.