Authentische Erzählung
Antwerpens neues Red Star Line Museum erinnert an Europas Auswanderer in die USA
Wer heute von Essen, Düsseldorf oder Köln mit der Bahn in Richtung Belgien aufbricht, der ist mit dem Thalys bequem in 2,5 bis 3 Stunden in Brüssel, in einer weiteren dreiviertel Stunde in Antwerpen. Auch für Auswanderer, die das Rheinland im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in Richtung Neue Welt verließen, war diese geografische Nähe ein wichtiges Kriterium: Viele von ihnen verließen Deutschland nicht über Bremerhaven oder Hamburg, sondern schlugen den deutlich kürzeren Weg über Rotterdam oder Antwerpen ein – die gute Eisenbahnverbindung nannte man im Volksmund den „Eisernen Rhein“. Und die Rheinländer waren nicht alleine: Über die Jahrzehnte waren es geschätzte 2,5 Millionen Menschen, viele von ihnen aus Osteuropa, die den europäischen Kontinent über den Seehafen von Antwerpen verließen, um jenseits davon ein neues Leben zu beginnen.
Der Name, der für dieses Unternehmen stand, war die Red Star Line - eine Passagierreederei, die mit ihrer großen Ozeanflotte Reich und Arm über den großen Teich, und wenn es sein sollte, auch wieder zurück brachte. Es grenzt an ein Wunder, dass die Gebäude, in denen die Reederei alle Passagiere der 3. Klasse nicht nur empfing und abfertigte, sondern auch desinfizieren und durch Ärzte auf Reise- und auch Arbeitstauglichkeit untersuchen ließ, den Lauf der Zeit überlebt haben – schließlich ging die Red Star Line bereits 1934 insolvent. Byer Blinder Belle Architects, die vor zwanzig Jahren schon Ellis Island, die alte Immigrantensammelstelle vor Manhattan, zu einem Museum transformierten, haben auch die historische Gebäudemischung am Antwerpener Rijnkaai sehr behutsam restauriert und dem neuen Nutzungskonzept angepasst. Ein dynamisch gebogener Aussichtsturm ergänzt den Bestand erzählerisch, indem er die Assoziation an maritime Dampferschlote wachhält. Innen entfaltet sich ein Ausstellungsparcours, der die Besucher auf eine facettenreiche und spannende Reise durch ein vergessenes Kapitel Kulturgeschichte mitnimmt: Nach und nach werden die verschiedenen Stationen einer Auswanderung mit einer Vielfalt an Exponaten und Multmedia-Installationen inszeniert – Einzelschicksale aus verschiedenen Zeiten und unterschiedlicher sozialer Herkunft führen plastisch Unterschiede und Gemeinsamkeiten vor. Die Ausstellung entwickelt ihre Geschichten dabei im Spannungsfeld zwischen den authentischen, von Zeitspuren überzogenen Räumen und herausragenden Einzelexponaten. Neben Reisetagebüchern und Fotografien, Werbeplakaten, Schiffsmodellen und vielem anderen mehr ist auch ein Klavier des berühmten US-Komponisten Irving Berlin zu sehen, auch er ein junger 3. Klasse-Passagier. So unterschiedlich die Geldbeutel und Motivationen im einzelnen auch waren – Antwerpen war dabei behilflich, Lebensträume zu verwirklichen. Und ist es bis heute: Ein Kapitel der Ausstellung widmet sich der akruellen Immigration auf der Welt – mit über 170 verschiedenen, im Stadtgebiet segregierten Ethnien ist sie auch in Antwerpen längst angekommen.
www.redstarline.be/de
RED STAR LINE MUSEUM www.redstarline.be/de