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Aktiviert die Innenstadt!

Ein Gespräch mit dem Düsseldorfer Architekten, Stadtplaner und Immobilien-Unternehmer Walter Brune über die aktuelle Düsseldorfer Shopping-Landschaft und den drohenden Tsunami der Outlet-Center

Herr Brune, mit dem Kö-Bogen ist in der Düsseldorfer City einiges in Bewegung geraten, aber auch... mehr

Herr Brune, mit dem Kö-Bogen ist in der Düsseldorfer City einiges in Bewegung geraten, aber auch das schon lang währende Sterben der Kaufhäuser erzeugt akuten Veränderungsdruck. Steuert Düsseldorf auf spannungsreiche Zeiten im Einzelhandel zu? Wo sehen Sie die großen Herausforderungen?
Walter Brune: Düsseldorf hat den Vorteil, dass es am Stadtrand noch keine so großen Shopping-Center gibt. Die Arcaden in Bilk waren sicher ein böses Projekt für die Innenstadt – damit wurden bestimmt 100 bis 200 Mio. Euro an Umsatz im Jahr abgesaugt. An der Neusser Stadtgrenze gibt es auch ein Center, aber die ganz großen Shopping Malls wie in Oberhausen oder ganz besonders in Essen mit seiner tödlichen 70.000 m2-Shopping-Mall am Limbecker Platz – das ist Düsseldorf erspart geblieben, so dass die Innenstadt noch eine gewisse Kaufkraftstärke besitzt. Die Qualität einer Stadt ist schließlich doch der Fundus des Einzelhandelsumsatzes – alles andere läuft automatisch mit, ob Schule, Kirchen, Politik oder Kultur. Von den ganz großen Verlagerungen dieses Umsatzes ist die Stadt zum Glück bisher verschont geblieben. Vielleicht auch, weil es Walter Brune gibt (lacht) – da trauen sich die Herrschaften nicht so ran.

Aktuell gibt es in Düsseldorf aber Gedankenspiele – zumindest von Maklerseite – an der nördlichen Schadowstraße Karstadt und Kaufhof zu einem großen Shopping-Komplex auch baulich zu vereinen. Was halten Sie von so einer Lösung?
Ich schätze, dass der Umsatz bei Karstadt und Kaufhof so bei 5.000-7.000 EUR/m2 im Jahr liegt. Dieser Umsatz war immer da – ob das nun von vielen kleinen Läden als Shop-in-Shop oder einem Kaufhaus mit einem großen Sortiment bestritten wird – das schadet der Stadt erst einmal nicht. Im Gegenteil, ich würde es positiv sehen. Wenn dort Schadow-Arkaden zweiten Ranges entstünden, dann würde zwischen nördlicher und südlicher Schadowstraße eine gewisse Laufzone entstehen. Solange so etwas in der Stadt stattfindet und strukturell keine unausgewogen konkurrierende Position einnimmt, ist es sinnvoll. Es wäre eine Stärkung des Standortes, der auch Alternativen, neue Trendsetter etc. bringen könnte. Ganz anders wäre es bei einem zusätzlichen Center am Wehrhahn, am Bahnhof oder aber in Derendorf.

Die Karstadt-Immobilie ist ja vor kurzem von der Bremer Zech-Gruppe erworben worden, die ja auch hinter dem Projekt des Kö-Bogens stand. Würden Sie Herrn Zech gratulieren zu diesem Coup? Hätten Sie das Objekt vielleicht sogar gerne selbst erworben?
Wenn ich 45 wäre, hätte ich das gerne gemacht – keine Frage. Und ich würde tatsächlich auch eine zweite Schadow-Arkade darüber bauen. Es wäre eine Aktivierung der Innenstadt, die noch mehr Leute ins Zentrum zieht. Alles, was reinzieht, tut der Stadt gut: Neue Ideen, neue Trendsetter. Es hilft der City und macht sie nicht kaputt.

Akuter ist noch die Situation des Kaufhofs an der Berliner Allee - Ende des Jahres soll er schließen, ohne dass ein Nachnutzungskonzept bisher bekannt wäre. Was meinen Sie – sollte der Rat mit dem Eigentümer verhandeln, die Zentrale Stadtbibliothek dort unterzubringen?
Das halte ich wirklich für die beste Lösung an diesem Standort! Die Berliner Allee ist nun einmal keine Laufstraße – alle Versuche, da mehr Lauf hinein zu bringen, sind gescheitert. Ein großes Kaufhaus an dieser Stelle ist einfach nicht zukunftsfähig. Die Stadtbücherei wäre fantastisch. Unten könnten Büros um einen Innenhof, oben Wohnungen entstehen – das kann man alles gut umbauen. Und das, was durch das Ende des Kaufhofs an Kaufkraft verloren geht, das würde in die zentraleren, laufintensiveren Bereiche der Stadt zurück wandern.

Sie haben sich vor acht Jahren selbst von vier in Besitz gehaltenen Shopping-Zentren getrennt und an ECE verkauft – darunter auch das Rhein-Ruhr-Center, aber auch die Düsseldorfer Kö-Galerie. Sind die Risiken im Einzelhandel heute unwägbarer als früher?
Der Verkauf hatte mehrere Gründe. Ich habe die Zentren mit eigenen Mitarbeitern geführt, obwohl ich ja eigentlich ein Architekturbüro bin. Allein die Kö-Galerie auf der Königsallee hatte ich 22 Jahre zusammen mit meiner Frau gemanagt – mein Büro befand sich direkt darüber. Es gab in der Zeit viele schöne Erlebnisse, aber auch stressige: Bei so einem großen Komplex mit hunderten von Ladeneinheiten gibt es jeden Tag ein Problem – ob jemand den Adventskranz über Nacht brennen lässt, insolvent geht oder verstirbt. Auch wenn ich mich heute wie 50 fühle und noch viel unterwegs bin – mit 88 sind Sie einfach nicht mehr ganz so mobil. Büros und Wohnungen als Objektinvestments sind da deutlich weniger stressig. Generell habe ich aber auch mit dem Einzelhandel Probleme: Angesichts des E-Commerce-Handels sehe ich die Aussichten heute deutlich kritischer als früher.
Shopping ist für die Deutschen eine beliebte Urlaubsbeschäftigung – aber im Alltag verfällt man zunehmend doch auf Amazon & Co. Muss man nicht da eine ganz neue Shopping-Kultur entwickeln?
Einkaufen war nie nur Bedürfnisbefriedigung, sondern auch eine Frage der Erlebnisqualität. Darin zeigt sich ein bestimmtes phänomenales Bedürfnis an Lebensqualität. Aber auch dieses Phänomen kann ein Shopping-Center am Stadtrand nicht befriedigen. Nicht reihenweise wie in den USA, aber doch ein großer Teil der Shopping-Center wird auch in Deutschland mittelfristig schließen, weil sie exakt diesen Effekt nicht bieten können – es sei denn, die Innenstadt ist schon kaputt wie in Oberhausen. Wenn einer tot ist, dann kann er noch so oft erweckt werden – er wird nicht wieder lebendig.

Was macht denn heute Ihrer Ansicht nach eine gute Shopping-Adresse aus?
Die Kö-Galerie war ein wirklicher Schub für die City. Ich erinnere mich, wie lange vor der Eröffnung ein großer Artikel in der Bunte stand: „Königsallee ist out!“ Die Hauseigentümer so einer hochwertigen Galerie – das ist in München auf der Theatinerstraße wie auf der Londoner Regent Street nicht anders – die neigen dazu, die höchste Miete haben zu wollen. Die zahlen aber nur Textiler, Juweliere und Lederwaren. Alle anderen können sich diese Preise gar nicht leisten – was als erstes rausfliegt, ist die Gastronomie. Aber wenn diese anderen nicht da sind – dann wird so eine Straße langweilig. Und genauso war die Kö Anfang der 1980er Jahre.

Was veränderte sich mit der Kö-Galerie?
... Und siehe da, da war ein Stoffladen an der Ecke, ein Hutgeschäft, sieben Gastronomien, eine große Lebensmittelabteilung im Untergeschoss, woran bis dahin auf der Kö gar nicht zu denken war. Das ganze Sortiment wurde – sich gegenseitig ergänzend – aufgefrischt, damit der Kunde seine Bedürfnisse befriedigen konnte. Die Trendsetter, die auf der Königsallee keinen Laden fanden, die konnten zu uns kommen. Während die Straße durchweg hochpreisig in den Mieten war, ließen sie sich in der Galerie abstaffeln: Vorne teuer, nach hinten günstiger und noch preiswerter im Obergeschoss – aber eben auch nicht weiter ab vom Schuss: Allein wegen Gastronomie und Parkhaus kam die selbe Laufkundschaft dorthin.

Sie sind neben Ihren Shopping-Projekten ja auch durch eine Reihe von Publikationen zum Thema Einzelhandel und Stadt hervorgetreten. In Ihrem aktuellen Buch beschäftigen Sie sich mit den Outlet-Centern, die auch in Deutschland zunehmend an Raum gewinnen. Wieso stellen sie eine Bedrohung für die Innenstädte dar? 
Wenn eine Stadt und ihre Politiker sich sehenden Auges ein Outlet Center vor die Tore der Stadt stellen, sind es für mich Mörder! Sie machen aus persönlichem Profilierungsinteresse bewußt ihre Stadt kaputt. Keine Innenstadt kann gegenüber einem Outlet-Center existieren – das ist ihr Tod!

Was ist denn die genaue Todesursache?
Es ist ganz einfach: Sie bekommen als Kunde ein riesiges Sortiment und dafür zahlen sie nur ein Zehntel des Preises, der in der Innenstadt dafür fällig wäre! Dieser massenhafte Ausverkauf der Ware – und es ist ja keineswegs nur der Abverkauf von Restbeständen der dort stattfindet, sondern auch der Verkauf aktueller Ware – der macht den übrigen Handel in einer Stadt total kaputt.

Auffällig ist bei dem Phänomen ja auch, dass die Outlet Center Elemente von Urbanität kopieren, die auch ästhetisch mit der Innenstadt konkurrieren sollen.
Schauen Sie doch mal wo die Leute zum Einkaufen gerne hingehen – sie zieht es in die Altstädte. Also bauen die Outlet Center eine Altstadt – schöne Fassaden, ein bisschen dörflich, und wenn Sie sich die ersten Geschosse mit den Sprossenfenstern ansehen, werden Sie feststellen, dass dahinter die totale Leere herrscht! Der Normalbürger fällt darauf rein – vielleicht, weil dazwischen auch noch ein bisschen Gastronomie angeboten und demnächst dort auch noch Elektronik verkauft wird. Dabei sollte nicht vergessen werden: Viele der dort angebotenen Textilartikel werden unter erbärmlichsten Konditionen produziert – die ärmsten der armen Länder müssen sich tot arbeiten, damit wir so billig einkaufen können. 

Allein in den nächsten zehn Jahren sollen 30 neue Outlet Center in Deutschland entstehen. Warum erst jetzt?
Es ist wirklich ein Tsunami, der hier über Deutschland hinweg zu rollen droht! Bisher sind wir für die Investoren diesbezüglich ein weißer Fleck auf der Landkarte gewesen. In England ist das Phänomen schon viel länger bekannt. Es ist kein Geheimnis, dass dabei beträchtliche Bestechungszahlungen an Bürgermeister flossen. Viele Städte, etwa Birmingham, sind Opfer dieser Ansiedlungen geworden – der innerstädtische Leerstand ist seitdem enorm. Genau die gleichen Gefahren sehe ich in Duisburg und Remscheid. In Duisburg ist gerade ein Flämmchen wieder auf der Königsstraße zum Brennen gebracht worden – anstatt das zu fördern und zu stärken, erlauben Politiker es, dem Konkurrenz zu machen und lassen die Investoren des Outlet Centers auch noch ein altes, gründerzeitliches Wohnviertel abreißen. Und das, obwohl viele der Filialisten, die ihre Geschäfte in dem Outlet Center haben, noch nicht einmal Gewerbesteuer vor Ort zahlen. Sie zahlen natürlich dort ihre Steuern, wo sie ihren Verwaltungssitz haben – die Stadt verdient dabei also noch nicht einmal etwas!

Herr Brune, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Paul Andreas.

Walter Brune Dipl.-Ing. Architekt BDA. Geboren 1926 in Bremen. Architekturstudium an der... mehr

Walter Brune

Dipl.-Ing. Architekt BDA. Geboren 1926 in Bremen. Architekturstudium an der Hochschule für Technik, Bremen. 1947 Diplom. Seit den 1960er Jahren Planung und Realisierung einer Serie von Großkaufhäusern für verschiedene renommierte Einzelhandelskonzerne, insbesondere in den überwiegend denkmalgeschützten Stadtkernen von Celle und Goslar sowie das Rhein-Ruhr-Zentrum in Essen/Mülheim, außerdem Planung der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen. Seit 1970 Verantwortung als Bauherr für eine Vielzahl von Großprojekten, in Düsseldorf u.a. das multifunktionale Stadtsanierungsprojekt Münsterpark, Klemensviertel und die Kö-Galerie, letztere 1987 vom International Council of Shopping Centers ausgezeichnet. 1989 Großes Bundesverdienstkreuz am Bande. Seit 1980er Jahren Planung von Stadtgalerieprojekten, wie Schadow Arkaden in Düsseldorf und Heuvel-Galerie in Eindhoven/Niederlande. Planer, Bauherr und Streiter für die Erhaltung der urbanen Innenstadtzonen unserer kulturträchtigen Städte.

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