Gebaute Willkommenskultur
Architekten bauen ein Bürohaus in Mitte zur Flüchtlingsherberge um
Das Haus war ursprünglich ein leerstehendes Bürogebäude. Aufgrund der komplizierten baurechtlichen Vorgaben gab es für den Investor kurzfristig keine Möglichkeit, dort Wohnungen einzurichten. Die Hauseigentümer folgten deshalb dem Aufruf des Berliner Senats, leerstehende Häuser zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung zu stellen.
Das Gebäude unterliegt dem Denkmalschutz und war zu DDR-Zeiten bereits transformiert worden. Die Aufgaben des mit der Planung der Herberge beauftragten Berliner Architekturbüros „dreigegeneinen“ waren deshalb umfangreich. „Wir haben das Gebäude zum Teil entkernt, die Stromleitungen erneuert, Duschräume eingerichtet, die Brandschutzanlage und Sicherheitsbeleuchtung installiert“, berichtet Architekt Bastian Sevilgen. „Ebenso haben wir ein komplett neues Raumprogramm entwickelt“. Auf jeder Etage gibt es Räume für drei bis fünf Personen. In denen ist nun in der Regel immer eine komplette Familie untergebracht. Zusätzlich steht den Bewohnern in jedem Geschoss ein Gemeinschaftsraum zur Verfügung. Die Architekten waren nicht nur für alle baulichen Maßnahmen und deren Genehmigung zuständig. „Wir haben das Gebäude möbliert und von der Bettwäsche bis zum Küchensieb oder dem Schneidebrett komplett ausgestattet“, sagt der Architekt. Bei den Möbeln handelt es sich teilweise um preiswerte Industrieware, angepasst an die besonderen Anforderungen. Die Küchenmöbel erhalten zum Beispiel Arbeitsplatten und Regalböden aus HPL, damit sie strapazierfähiger werden. Die Frankfurter Stühle für den Speisesaal im Erdgeschoss haben die Architekten gebraucht gekauft. Der Empfangstresen wurde von befreundeten Produktdesignern entworfen und in MDF gebaut.
Das Gebäude hätte von der reinen Fläche höher belegt werden können, möchte aber mehr sein als nur eine Notunterkunft. Dort untergebracht sind Menschen, die die Erstaufnahme verlassen und bereits einen Aufenthaltsstatus erlangt haben. Manche haben auch schon Arbeit gefunden. „Bislang hat es keinerlei Vandalismus gegeben. Die Wände sind immer noch weiß. Die Teppiche in den Gemeinschaftsräumen reinigen die Bewohner selber und sehen fast aus wie neu“, berichtet Sevilgen. Damit scheint das Rezept aufgegangen, mit einem Mindestmaß an Gestaltung und durchdachter Planung den Menschen eine Umgebung zu schaffen, die sie Willkommen heißt. Der Betrieb der Flüchtlingsherberge ist bis zum Jahr 2019 geplant. Das Projekt ist Teil der aktuellen Ausstellung „Making Heimat“ auf der Biennale in Venedig.
www.dreigegeneinen.eu