Elegant und eigenwillig
Braves Townhouse wird zur lackglänzenden Kleidertruhe
Es waren nicht, wie so oft, wirtschaftliche Schwierigkeiten oder gar eine handfeste Pleite, die zum Verkauf führten. Der Investor hatte einfach das Interesse an dem von ihm beauftragten und fast fertig gestellten siebengeschossigen, schmalen Townhouse in der Oberwallstraße verloren. Deshalb stand der schon weit fortgeschrittene Rohbau zum Verkauf und das Studio Rundholz, ein familiengeführtes rheinisches Modeunternehmen, sicherte sich das schmale Haus in bester Mitte-Lage – um nach Läden in Düsseldorf, München und Antwerpen in der deutschen Hauptstadt die vierte eigene Niederlassung zu eröffnen.
Das ursprüngliche Haus mit seinem Erker und den Sprossenfenstern entsprach aber weder dem Geschmack der Inhaber noch passte es zur Mode des Unternehmens. Man beauftragte das Berliner Büro apool Architekten mit dem Umbau. Den Architekten Dominik Franz und Jesper Reinholt wurde bald klar, dass mit ein wenig Fassadenkosmetik eine radikale Neukonzeption des Gebäudes nicht zu machen war. Daher brach man im Eingangsbereich zur Straße sowie zwischen erstem und zweitem Obergeschoss große Deckenpartien ab. Das erforderte statische Ertüchtigungen der verbleibenden Decken und führte zu Flächeneinbußen – der Gewinn jedoch sind großzügige und durchlässige Räume, in denen das Licht weich fließt. Die Öffnung in der Vertikalen kompensiert zudem die für einen repräsentativen Laden und Showroom sehr geringe Breite von 6,5 m. In den oberen vier Etagen befinden sich kombinierte Wohn- und Atelierräume. Die in den Obergeschossen verlorene Fläche gewannen die Architekten zurück, indem sie das Kellergeschoss durch eine weitere hausbreite Deckenöffnung zum Erdgeschoß auf der Gartenseite einbezogen, wo es durch 6,5 m hohe Fenster und Türen zum ausgeschachteten Atrium ein Maximum an Tageslicht erhält.
Die Fassade zur Oberwallstraße wird radikal abstrahiert. Sie besteht aus weißen, glanzlackierten Aluminiumpaneelen. Die scharfkantigen, mit lediglich 7 mm breiten Fugen montierten Bleche und ihre verdeckte Befestigung geben der Fassade einen ausgesprochen strengen und zugleich eleganten Ausdruck. Diese Außenhaut bildet einen wohltuenden Ruhepol innerhalb der Häuserzeile, eines Architekturzoos, in dem alle 6,5 m ein neuer Duktus regiert. Der Baukörper erinnert in seiner glatten, geschlossenen Gestalt fast an ein Möbel. Und wie bei einem Möbel gibt es keine Fenster – außer einer rechteckigen Öffnung im zweiten Obergeschoss, die sich jedoch mit vertikalen Aluminiumlamellen ebenfalls verschließen lässt, so dass die weiße Haut des Hauses wieder blank und geschlossen ist und alleine die Häuserzeile gegenüber zeigt. „An der Fassade muss nicht ablesbar sein, was sich dahinter verbirgt“, sagt Architekt Dominik Franz. Vielmehr müssten die Nutzer gerade in einer so dicht auf dicht bebauten Nachbarschaft die Chance auf Privatsphäre haben.
Die einzige wirkliche Öffnung der Front ist die Tür zum Geschäft – sie reicht Dank der entfernten ersten Geschossdecke bis zur Unterkante der zweiten Etage und erinnert ans Portal eines repräsentativen Stadtpalais. Mit 6,5 m Höhe ist die Türe so hoch, wie das Haus breit ist. Die verwendete gläserne Automatik-Schiebetür, eine Sonderanfertigung, ist die bisher größte in Deutschland. In den oberen Geschossen befinden sich zwei weitere, aus Brandschutzgründen notwendige Öffnungsflügel, die jedoch im Alltag geschlossen bleiben. In seinem Inneren lebt das Gebäude ganz von der Wirkung des in die Vertikale geöffneten Raums mit seinen Galerien und Blickbeziehungen. Der kompakte Küchenblock im ersten Obergeschoss entstand nach Vorgaben der Architekten. Ansonsten bestimmen die weißen Flächen der lackbeschichteten Einbaumöbel das Bild. Sie machen die Räume aber nicht steril, sondern leicht und heiter und damit zur idealen Kulisse für die drei Modelinien des Unternehmens und für die Präsentation der aktuellen Kollektionen, die an diesem Ort zwei Mal im Jahr stattfindet. Die Events für Einkäufer, Fachbesucher und VIPs der Modebranche können sich bei gutem Wetter in den Garten sowie den Patio im ersten Obergeschoss ausdehnen.
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Architekten
Apool Architekten
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Fotos
Jesper Reinholt
Lichtplanung und Leuchtenausstattung
Zumtobel Licht GmbH
www.zumtobel.com
Multimedienplanung und Ausstattung
Sound Brothers GmbH & Co.KG
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Küchen- und Badausstattung
Boffi Berlin GmbH
www.boffi-berlin.de
Neonkunst
Neon Atelier Reuter
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Fassaden- und Aluminiumblecharbeiten, Verglasung und Glasbrüstungen
Assmann & Klasen
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Rohbau, Estrichboden, Trockenbau, Malerarbeiten, Dachdecker
E. u. H. Brunken GmbH & Co.KG
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