Architektur von innen
Wohngebäude fängt mit ungewöhnlichen Ausblicken den Charme seiner Umgebung ein
Die Berliner Architekten Judith Haase und Pierre Jorge Gonzalez haben sich bislang vor allem mit Interieur Projekten einen Namen gemacht. Das vGGG Building ist das erste komplette Wohngebäude, welches das Architektenduo 2016 fertiggestellt hat. Das Projekt wurde als Baugruppe realisiert, der die Architekten auch selber angehörten. Der Name leitet sich von den drei daran beteiligten Parteien ab.
Das Bauwerk schließt eine Baulücke in der Ohmstraße, die im Grenzgebiet von Berlin-Mitte zu Kreuzberg liegt. Die Gegend ist fast vollständig von Altbausubstanz aus der Gründerzeit geprägt, aber auch von Brachen, Industrieanlagen, Nachtclubs und Plattenbauten umgeben. Die Gestaltung der Fassade unterlag strengen Auflagen: Farbgebung, Geschoss- und Traufhöhen, Gesimsverläufe und Sockelzonen, die sich von den historischen Vorgaben der Nachbargebäude ableiten lassen, gelten heute noch immer. Für die Architekten war dieser Umstand eher nebensächlich, denn ihr Entwurfsansatz ist von innen heraus gedacht. Die schlicht verputzte Fassade bleibt daher ein Produkt des baurechtlichen Regelwerks. Der Blick von innen nach außen und die Führung des natürlichen Lichteinfalls waren die entwurfsbestimmenden Elemente. Die Fenster sind so platziert, dass eine natürliche Lichtführung von einer Seite des Hauses bis zur anderen reicht. Die zahlreichen Ausblicke richten sich vor allem auf das hinter dem vGGG Building liegende Gebiet. Dort befindet sich das innerstädtische Heizkraftwerk Mitte. Halb hochmodernes Kraftwerk, halb Industrieruine mit Kulturstandort, ist der Blick auf das Areal sehr reizvoll. Die breiten Fensterrahmen aus Holz fixieren diese Ausblicke wie in einem modernen Historienbild.
Die ungewöhnliche Raumwirkung realisieren die Architekten mit zum Teil einfachen Mitteln. Viele der eingebauten Details sind Fertigbauteile, die durch bestimmte Modifikationen aufgewertet wurden. Die Breite der Fensterrahmen beispielsweise musste vereinheitlicht werden, da sie ab Werk entsprechend der Fenstergröße stark variierte. Andere vorgefertigte Teile wurden ihrer ursprünglichen Funktion enthoben und reinterpretiert. Große Schiebefenster, welche den Raum größtmöglich zum Industrieareal öffnen, sind eigentlich Schiebetüren, die angehoben vom Fußbodenniveau in die Wand eingesetzt wurden. So konnten großflächige Verglasungen verhindert werden – Spezialanfertigungen, die in den Augen der Architekten nicht nur die Kosten unnötig in die Höhe treiben, sondern auch an Kitsch grenzen.
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