Schöner Recht sprechen
Neues Ergänzungsgebäude des Amtsgerichts Kaufbeuren
Exakt 638 Amtsgerichte in Deutschland kümmern sich um Rechtsfragen auf der Unteren Gerichtsebene, 74 sind es allein in Bayern. Einen hochmodernen, expressiven Baukörper erhielt das Amtsgericht Kaufbeuren als Ergänzung zu seinen beiden historischen Bestandsgebäuden aus den Jahren 1805 und 1890, die sich, nahezu baugleich im klassizistischen Stil im Süden der Stadt befinden. Der Neubau schiebt sich als langgezogenes trapezförmiges Bindeglied zwischen die Altbauten. Straßenseitig hält er sich formal bescheiden zurück, ist eingeschossig und unspektakulär, während er auf der Rückseite, zum Jordanpark hin, durch eine ungewöhnliche Formensprache auf sich aufmerksam macht. Die dunkle vorgehängte strukturierte Metallfassade unterscheidet sich bewußt von den Putzfassaden der Altbauten. Entwurf und Planung für den Erweiterungsneubau stammen von den Augsburger Architekten löhle neubauer (LPH 1–5). Die Bauleitung erfolgte durch das ortsansässige Büro mse Architekten (LPH 6–9). Das Projekt ging aus einem kombinierten VgV-Wettbewerbsverfahren (1. Preis) hervor und umfasste zusätzlich die Renovierung beider Stammgebäude. Das Ergänzungsgebäude nimmt Funktionen auf, die teilweise öffentlich zugänglich sind. Im Neubau an der Ganghoferstraße gelangt man zunächst in ein großzügiges ebenerdiges Foyer mit Bürgerbüro und Besprechungsräumen. Der hintere Gebäudeteil passt sich dem Niveaugefälle des Geländes an und öffnet sich 2-geschossig zum östlich gelegenen Park. Jeweils um ein Halbgeschoss versetzt, schliessen sich fünf Sitzungssäle mit bodentiefer Verglasung an das Foyer an. Von den Sitzungsräumen eröffnen sich einzigartige Blicke ins Grüne. Die dunkle Farbe der Metallfassade wird an manchen Einbauten und am Mobiliar wieder aufgenommen. Die unverputzten Sichtbetonwände lassen einen fast puristischen Gesamteindruck entstehen. Der Terrazzoboden im gesamten Haus wurde aus lokalem Kies gefertigt. Tageslicht fällt durch Oberlichter im Flachdach ins Innere. PV-Flächen auf dem Dach versorgen den Neubau zusätzlich mit Energie. Ein gewagter aber funktionaler Entwurf, ungewöhnlich für ein öffentliches Gebäude wie dieses, dafür aber umso ansprechender.
Fotos:
Brigida Gonzalez
www.brigidagonzalez.de
(Erschienen in CUBE München 04|25)
