Nicht kühl – sondern cool
Bar aus Beton als ästhetisches Meisterwerk
Nein wir sind nicht in einem „Speakeasy” in Chicago – und nein, wir haben auch keine Zeitreise in eine „Schwarzbar” ins Berlin der „Goldenen Zwanziger” unternommen, sondern wir befinden uns mitten in Münchens Altstadt und kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Über eine unscheinbare Betontreppe gelangt man ins zweite Untergeschoss eines Wohnhauses, in ein Kellergewölbe mit roh belassenen Ziegelwänden und steht in einer der ungewöhnlichsten, nobelsten und äußerst geschmackvoll gestylten Bars – unter der Stadt.
Es war ein langer Weg, bis es so weit war. Der Betreiber eines bestehenden Lokals im Erdgeschoss und der Architekt Fabian Wagner taten sich zusammen, um etwas Außergewöhnliches zu erschaffen: die „Campana del Rey”, eine einzigartige Rum-Bar. Das Haus mit seinem Gewölbekeller stammt aus dem 16. Jahrhundert. Das Gewölbe war mit seiner geringen Höhe von nur 1,70 Meter viel zu niedrig für die ambitionierten Pläne. Es musste tiefer gelegt werden, um die nötige Raumhöhe zu erlangen – bei gleichzeitigem Erhalt des Wohnhauses, das während der Bauzeit statisch in der Luft hing. Unter dem 2. Untergeschoss schaffen Bauarbeiter von Hand quasi ein drittes Untergeschoss aus. Die mächtigen Stützen und Wände des einstigen Kellers wurden unterfangen und Lage um Lage mit Ortbeton aufgefüllt. Das spätere Mobiliar der Bar aus Beton, wurde in die Unterfangungen integriert – der Tresen, ein Tisch, die Sitzbänke an den Wänden. Die Gäste sitzen so auf den neuen Fundamenten des Hauses, das zwar längst nicht mehr in seinem Urzustand erhalten ist, sondern ab dem ersten Obergeschoss erneuert wurde. So spricht Architekt Fabian Wagner in Bezug auf die Bar mit Recht nicht von einem Interior-Projekt, sondern von Bauen im Bestand. Trotz der Kargheit, Klarheit und „Purheit” – das englische Äquivalent „pureness” trifft es besser – hat der gar nicht so große Raum eine einladende Atmosphäre. Keine kühle Ausstrahlung, wie man vermuten könnte. Das liegt an der reduzierten Möblierung und am Materialmix – Sichtbeton und freigelegtes Ziegelmauerwerk dienen als „Bühnenbild”, ergänzt durch Sitzbänke und Barhocker aus massivem Aluminium mit schwarzen Lederpolstern. Der Tresen ist das raumbestimmende Element, der übrige Raum ist geschickt in kleinere oder größere Kabinette unterteilt. Ein „Paravent”, eine Skulptur aus rotem, wie gefaltet wirkendem Marmor, verschließt einen Türspalt im Beton. Marmorreste sind an manchen Wandabschnitten als Spritzschutz angebracht. Die Coolness konterkariert eine absichtlich kitschige Marienfigur als „Fremdkörper”. Sie ziert und inszeniert eine Nische in der Ziegelwand.
Fotos:
Kim Fohmann
www.kimfohmann.de
(Erschienen in CUBE München 01|25)