L’art pour l’art
Eine Treppe verwandelt einen Spitzboden in eine andere Welt
Der Architekt Gerd Streng BDA hat für eine Familie mit zwei kleinen Kindern den ungenutzten Spitzboden ihres Einfamilienhauses in ein Archiv und Schaulager für die noch junge Galerie der Bauherrin verwandelt. Jetzt verstärkt die zeitgenössische Farb- und Materialgestaltung zusammen mit der modernen Kunst den bauzeitlichen Charme der gepflegten Villa aus den 1950er-Jahren in Groß-Flottbek. Die Bestandssituation erlaubte es, die vorhandene Auszugtreppe durch die prototypische, vom Architekten entwickelte „1m²-Raumspartreppe“ auszutauschen. Drei Podeststufen mit Auszügen führen nun in den Treppenraum hinein, dessen Aussparungen diagonale Blickachsen über mehrere Etagen ermöglichen. Man bewegt sich auf einer modifizierten Wendeltreppe, an Stelle der Spindel sind die Stufen an einer dreieckigen Wange befestigt, die dreidimensional im Raum verdreht ist. So wird das maximale Volumen des Treppenraumes ausgenutzt.
Die Steigung folgt der Dachschräge, so dass Tageslicht durch das Dachfenster tief in den Treppenraum fallen kann. Den Raumabschluss zum Spitzboden bildet eine Klappe mit Gasdruckfeder-Unterstützung aus begehbarem, transluzentem Polycarbonat-Wabenkernmaterial. Im Gegensatz zum roten Anstrich im Bestand wurden alle vertikalen Flächen der neuen Treppe mit 2,50 Millimeter starkem Linoleum im exakt gleichen Farbton beschichtet. Das Naturprodukt Linoleum besticht durch Geruch und Haptik. Die in rote und blaue Dreiecke aufgelösten Flächen sind exakt an die Bedingungen vor Ort angepasst und wurden von der ausführenden Firma mustergültig umgesetzt. Beide Giebelseiten des Spitzbodens erhielten maßgefertigte Einbaumöbel mit viel Platz für Archivierung und Sichtung von Bildern. Beim Bestandsfenster wurden die schräg angeordneten Laibungen komplett verspiegelt. Die zahlreichen Reflexionsebenen erzeugen interessante kaleidoskopische Spiegelungen.
Eine weitere Besonderheit stellt der verspiegelte Mittelpfosten des großen, vierteiligen Dachflächenfensters dar. Die seitlichen Spiegelflächen reflektieren die Glasflächen, sodass optisch der Horizont ohne Unterbrechung durch den Dachsparren durchläuft. Fünf neue Dachflächenfenster mit außenliegendem Sonnenschutz sorgen für Tageslicht im Spitzboden. Sämtliche Tischlerarbeiten wurden von Ralf Staben aus Henstedt-Ulzburg ausgeführt. Zusätzliche Lichtquellen in den Treppenstufen beleuchten direkt und indirekt den Flur sowie die Bestandstreppe zum Erdgeschoss. Darüber hinaus war zur farbechten Begutachtung von Kunst ein hoher Farbwiedergabeindex (>90 Ra) zu beachten. Die justier- und dimmbaren Leuchten unter dem Firstbalken wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Lichtplaner Marc Nelson abgestimmt.
Fotos:
Uwe Scholz
(Erschienen in CUBE Hamburg 02|24)