„Ich wollte etwas schaffen, das ich hinterlasse“
Marie Aigner über ihre einzigartigen Entwürfe und den Reiz der Schallabsorption
CUBE: Akustik ist ein hochkomplexes Thema. Wie viel muss man von Physik als Wissenschaft verstehen, um Schall entgegenzuwirken?
Marie Aigner: Man muss kein Physiker sein, aber man sollte natürlich verstehen, wie Schallwellen funktionieren. Im Grunde wie im Meer, Schall bewegt sich wie eine Wasserwelle im Raum fort und ich versuche, die Welle kleiner zu machen. Meine Hilfsmittel sind poröse Absorber. Diese wandeln die Schallwellen in Wärmeenergie um; ausgelöst durch die Reibung, die entsteht, wenn die Geräuschwellen auf das weiche Material treffen. Es gibt auch Reflektoren, diese dienen zur gezielten Schallenkung, zum Beispiel in Orchesterräumen, oder zuletzt die Diffusoren, welche die Schallwellen gleichmäßig im Raum zerstreuen. Man muss also nicht Physik studiert haben, aber man muss sein Ziel kennen. Meines ist es, Räume zu optimieren, indem ich die Sprachverständlichkeit fördere, so dass man sein Gegenüber im Restaurant verstehen, sich bei der Arbeit im Großraumbüro konzentrieren kann, in einem Vortragsraum den Vortragenden versteht. Dafür muss ich die Nachhallzeit des Schalls reduzieren, eigentlich ganz banal, hierzu genügt die Erhöhung der Absorptionsflächen plus zwei offenporige Materialien. Nicht mehr.
Um Schall zu minimieren, entwerfen Sie Möbelstücke, aber auch raumgreifende Installationen – wo liegt der Unterschied in der Herangehensweise?
Bei einem Objekt ist man unabhängig von der Beschaffenheit der Räume. Etwa bei einem Stuhl: Ich habe nur seinen Nutzen im Sinn und muss konstruktiv das Material so in den Griff bekommen, dass man darauf sitzen kann. Er ist am Ende variabel einsetzbar. Wenn es sich um eine Installation handelt, gibt mir der Raum und dessen Nutzung vor, wie sie zu funktionieren hat. Und das birgt Einschränkungen in der Gestaltung. Ist aber auch spannend, da es nicht selten zu erstaunlichen Entwürfen führt.
Ihre schalldämpfenden „Knockout Acoustics“ umfassen unter anderem Kleinmöbel wie Beistelltische, Daybeds oder Stühle. Wie ist die Kollektion aufgebaut?
Die Kollektion umfasst drei Bereiche. Die Spaces, das sind die großen, maßgeschneiderten Rauminstallationen. Dann gibt es die Editions, die Kleinserien, also die Möbel und Leuchten. Und die Collectibles sind Unikate, die ausschließlich aus Produktionsresten und –„abfällen“ gefertigt sind. Sie entstanden anfänglich während der Pandemie, als es kein Material mehr gab. Daraus sind dann tatsächlich auch optisch Unikate entstanden.
Die Objekte tragen sehr assoziative Namen wie Stairway to Heaven, Kandinsky, Elton oder Last Supper. Was inspiriert Sie dazu?
Kunst und Musik sind Bereiche, die mich immer interessiert haben. Die Namen lassen vermuten, dass jemand Spaß bei den Entwürfen hatte. Akustik war vor einigen Jahren noch ein vernachlässigtes Gebiet und die Produkte, die es gab, waren vielleicht effektiv, hatten jedoch keine Qualität im Material oder in der Ästhetik. Das Thema war so ernst, langweilig und grau. Und ich wollte dem Ganzen eine gewisse Lockerheit geben, eine Leichtigkeit im Umgang mit Design, die Neugierde unterstreichen, die auch ich bei diesem Thema empfunden habe. Auch durch die auffälligen Farben, sie haben den Objekten nochmals einen völlig anderen Twist gegeben.
Nach welchen Prinzipien funktionieren die einzelnen Elemente?
Es handelt sich um ein offenporiges, schallabsorbierendes Material mit einem geringen Gewicht, aber einer Rohdichte von 160 kg/m3. Die Elemente sind zudem alle gefaltet. Die Schallabsorptionsfläche, die man damit am Ende gewinnt, wirkt höchst effizient.
Sie studierten ursprünglich Architektur: Wann begann sich Ihr Interesse auf Produktdesign zu verlagern?
Eigentlich war es von Anfang an da, schon damals, als ich während der Schulzeit noch zwischen Bildhauerei und Modedesign schwankte. Mir war egal, ob es sich um Stoff am menschlichen Körper handelte oder um ein Objekt im Raum – ich wusste nur: Ich wollte etwas schaffen, das ich hinterlasse, das man sehen kann. Erst später kam mir dann die Idee mit dem Studium der Architektur.
Eigentlich kämpfen Sie gegen Geräusche – hören Sie während Ihrer Arbeit Musik?
Wenn ich mich nicht konzentrieren muss und an Entwürfen arbeite, dann höre ich ganz verschiedene Musik: Das kann Klassik sein, aber auch Kanye West, David Bowie, Coldplay, Talking Heads oder Red Hot Chili Peppers. Auch hier geht es bei mir einfach um Qualität.
Frau Aigner, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Das Interview führte Isabella Singer.
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(Erschienen in CUBE München 04|24)