Haus mit Qualitäten
Ein freistehendes Einfamilienhaus in Bochum gewinnt an Größe und bewahrt seine Identität
Die 1950er-Jahre gelten in Deutschland als das Jahrzehnt des Wirtschaftswunders. Nach schweren Zeiten strebte man danach, auch im Privaten sein Glück in die Hand zu nehmen. Ein eigenes Häuschen gehörte für viele dazu. Ein schönes Beispiel dafür steht auf einem rund 815 m² großen Grundstück in Bochum. Typ A. | Architektenteam hatten die reizvolle Aufgabe, das freistehende Einfamilienhaus mit seinen klassischen 50er Jahre-Attributen für eine junge fünfköpfige Familie zu optimieren. Der Charme des Bestands blieb dabei erhalten und wurde durch Ausbauten, einen neuen Zuschnitt sowie mittels einer energetischen Ertüchtigung ins Heute transferiert. Es erreicht nun den Enegergieeffizienzstandard EH50.
Ole Wetterich war begeistert, hatte der Architekt doch in dem Haus, das in einer harmonischen, durch Einfamilienhäuser geprägten Umgebung am Rande des Stadtkerns verortet ist, zahlreiche Attribute der 1950er-Jahre vorgefunden: eine wohltuende Gebäudeproportion und steile Dachneigung, eine funktionale Grundrissgliederung für eine Familie mit Kindern sowie viele unveränderte Details wie etwa originale Handkurbeln der Schlagläden. Diese wurden, ebenso wie der Knauf der Haustür, zu Beginn der Baumaßnahmen demontiert, eingelagert, anschließend aufgearbeitet und wieder angebracht. Hinzu kam ein Schatz an Blaupausen und Planzeichnungen des damaligen Architekten, die die Vergangenheit (ab)lesbar werden ließen. Die Bauherren wünschten sich für ihr Zuhause mehr Platz, einen offenen Grundriss sowie einen offenen Blick in den Garten, der nach Norden ausgerichtet ist. Zudem wurden drei Kinderzimmer, ein Schlaf- und Gästezimmer nebst Bädern sowie ein Arbeitszimmer und Hobbyraum geplant. „Wir konnten die Bauherrschaft davon überzeugen, dass das Haus mehr Stärke und Eleganz erhält, wenn man etwas mehr Fokus auf den Ursprung und das Traditionelle legt. Nur die Küche und den Garten wollten die Bauherren selbst bestimmen“, erläutert Martina Wetterich.
Nach dem Umbau stehen der Familie rund 280 m² Wohnfläche zur Verfügung. Das Erdgeschoss wurde neu strukturiert und mit einem Panoramafenster zum Garten hin geöffnet. Dessen Großzügigkeit wird durch ein vorgelagertes offenes Regal unterstrichen, das gleichzeitig als Sitzfenster zum Verweilen einlädt. Das Esszimmer fungiert nun als zentraler Knotenpunkt zwischen Kochen und Wohnen, Innen und Außen. Das Dachgeschoss ist mit drei großzügigen Räumen, einem zentralen Spielzimmer für alle sowie einem eigenen Bad mit Dusche und Wanne zum Reich der Kinder geworden. Der Spitzboden wird durch eine neue Treppe erschlossen, die als modernes scharfkantiges Faltwerk gestaltet ist. Dort befinden sich nun das Elternschlafzimmer, Ankleide und Badezimmer. Die Treppe des mehrgeschossigen Einfamilienhauses ist das wohl am meisten genutzte Bauteil. Sie wirkt mit ihren neuen Massivholzstufen, die die ursprünglichen abgenutzten und aus der Zeit gefallen Stufen ersetzen, wie eine Skulptur, die Blickbeziehungen zwischen den Geschossen möglich macht. Die innenliegende Harfe aus Massivholzstäben schützt vor Abstürzen und gestaltet sogleich.
Der Keller wurde außenseitig abgedichtet, die Bodenplatte ausgebaut, unterseitig gedämmt und zu Wohnraumqualität erneuert. Hier befinden sich nun ein Gästezimmer sowie ein Sport-/Hobbyraum mit eigenem Badezimmer, die Haustechnik sowie der Platz für Waschmaschine und Abstellflächen. Betrachtet man das gelungene Ergebnis, so rücken die Herausforderungen während der Planungs- und Bauphase fast in Vergessenheit. Beide fielen mitten in die Zeit der Pandemie, zudem mussten Materialverknappung und Preissteigerungen sowie unvorhergesehene Schicksalsschläge bei den Handwerksbetrieben verkraftet werden, bis die Familie ihr neues Domizil schließlich Anfang 2024 beziehen konnte.
Fotos:
Jannis Wiebusch
www.janniswiebusch.de
(Erschienen in CUBE Ruhrgebiet 02|25)