Natur im Wohnraum
Eine Nachverdichtung schafft Wohnraum und wertet auch ursprüngliche Bauten auf
Das Thema „Bauen im Bestand“ wird in Zukunft vermutlich immer wichtiger. Denn in Bestandsbauten steckt bereits viel graue Energie und manchmal schlummert dort auch ein kleiner Schatz. Welches Potenzial selbst noch unansehnliche Garagen bieten, zeigt eine Nachverdichtung in Nordhessen: Wie an vielen anderen Orten in Deutschland gab es neben einer ehemaligen Fabrik eine Batterie alter und und eher unansehnlicher Garagen. Der Architekt Gerhard Schymik aus Gießen, der zuvor mit dem Umbau der ehemaligen Fabrik betraut war, erkannte die Möglichkeiten und nutzte den Raum auf den Garagen für eine Nachverdichtung. So entstand auf den bestehenden Garagen eine lange Wohnung, die sich zur Landschaft an der Schmalseite des Riegels mit großer Geste öffnet und so „die Natur in den Wohnraum holt“, wie Schymik es nennt. Die Wohnung weitet sich dabei gefühlt von Raum zu Raum – je weiter man vom Eingang in Richtung Terrasse schreitet.
Aus Gewichts-, ökologischen und Raumklimagründen hat der Architekt das Haus vollständig in Holzrahmenbauweise erstellt und den Blick auf den natürlichen Baustoff unter der Decke gezielt eingesetzt. Die Fassaden des Wohnaufbaus und der Garagen selbst wurden mit einer pechschwarzen Schalung aus Fichtenholz verkleidet; sie sind hinterlüftet, mit Nut und Feder ausgeführt, geschlossen und geölt. Feine weiße Corian-Streifen rahmen die Fenster und geben den Fassaden ihre Eleganz. Eine weiße, runde Stahlstütze hat Schymik geschickt außermittig und nicht in der Ecke der Loggia platziert. Vom etwas höher gelegenen Wohnraum aus blickt und tritt man durch eine edle Fassade aus rahmenlosen Schiebefenstern in die grüne Umgebung.
Ein Nachverdichtungsprojekt, das zeigt, wie Architekten gleichermaßen Ressourcen erkennen, Atmosphären schaffen und den Bestand aufwerten können. Dabei hat sich der Architekt die Natur gleich dreifach ins Haus geholt: als Blick, als Motiv und als Vegetation. Und er setzte an mehreren Stellen bewusst auf grüne und dunkle Töne, die ebenfalls die äußere Landschaft ins Innere transportieren.
Fotos:
Frank Schulte
www.schulte-photography.com
(Erschienen in CUBE Frankfurt 04|22)