Eine Garage für „Theo“
Der Luftschiffhangar, der auch als Veranstaltungshalle dient, ist ein Vorbild für Nachhaltigkeit
Der Luftschiffhangar in Mülheim an der Ruhr ist ein identitätsstiftender Teil der Mülheimer Stadtgeschichte und schon per se ein ungewöhnliches Bauwerk. Und es war ein Mülheimer Architekturbüro, das den Zuschlag erhielt, eine neue Garage – so groß wie ein Fußballfeld – für das Luftschiff „Theo“ zu bauen. Die Konstruktion und Ausführung fielen so beeindruckend aus, dass die Luftschiffhalle – und vor allem die verantwortlichen Ingenieure – mit dem Ernst & Sohn Ingenieurbaupreis ausgezeichnet wurden. Darüber hinaus ist der imposante Hangar, der Ingenieurbau, Architektur und Nachhaltigkeit vereint, nicht nur Unterkunft, sondern auch eine multifunktional zu nutzende Veranstaltungshalle.
Der neue Hangar spiegelt die prägnante Form der Vorgängerbauten wider, jedoch präsentiert er sich mit einer zeitgemäßen und vollständig recyclebarem Aluminiumfassade an Stelle der damals verwendeten Foliendächer. Die feinen vertikalen Linien der Stehfalz-Fassade unterstreichen die klare Form und die sanften Rundungen des Bauwerks und erzeugen je nach Sonnenstand unterschiedliche Lichtreflexe und Schattenspiele. Aufgebrochen wird dies durch ein Fensterband, das sich um die Westseite erstreckt und den Innenraum belichtet. Von innen wiederum eröffnet es den Blick großzügig auf das Flugfeld, den Tower und die anderen Flughafengebäude. Die Ostseite der Halle ist vollständig geschlossen. Sie entfaltet ihre besondere Wirkung vor allem mit geöffnetem Tor, wobei sich die Torflügel auf einer viertelkreisförmigen Schiene gleitend innerhalb von drei Minuten öffnen. Jeder Torflügel erstreckt sich über eine Fläche von 400 m², wiegt 72 Tonnen und wird von vier Elektromotoren bewegt. Der höchste Punkt des Hangars misst 26 Meter, der Brutto-Rauminhalt beträgt 71.000 m³. In puncto technische und konstruktive Innovationen sind insbesondere die Verwendung von Holz als Hauptbaustoff für die Tragkonstruktion und die Verbindungen zu nennen. Insgesamt bilden 557 Tonnen Holz aus deutschen Wäldern das Grundgerüst in Form einer Holz-Fachwerkkonstruktion.
Die 15 Zweigelenkbögen aus Brettschichtholz haben eine Spannweite von 42 Metern. Sie sind als Fachwerkträger mit reinen Holzverbindungen konzipiert und besitzen insgesamt 592 Knotenpunkte, deren Verbindungen mittels Holzdübeln in Handarbeit hergestellt wurden. Die über den Trägern liegende Dachtragschale ist aus zehn Zentimeter starken, großformatigen Brettsperrholzplatten gefertigt. Sie steift die Konstruktion aus und übernimmt Funktionen wie Schall- und Wärmeschutz. Durch den hohen Vorfertigungsgrad konnte die Montage der Holzkonstruktion innerhalb weniger Wochen erfolgen. Die ursprünglichen Fundamente wurden zerkleinert, vor Ort recycelt und als Unterbau für den Hallenboden wiederverwendet. Die „neue“ Sicht-Bodenplatte besteht aus gebrauchten und recycelten Beton-Großformatplatten von einer benachbarten Baustelle. Emissionen durch lange Transportwege wurden somit vermieden. Insgesamt konnten durch die gezielte Auswahl von Materialien und die Wiederverwendung von Baustoffen 156 Tonnen CO2 eingespart werden.
Fotos:
Annika Feuss
www.annikafeuss.com
(Erschienen in CUBE Ruhrgebiet 02|24)