Behutsam erweitert
Integrierende Architektur, die in der Verbindung zur Vergangenheit Gegenwart schafft
In der Pfleghofstraße 4/1 in der Tübinger Altstadt befindet sich das spätklassizistische Wohn- und Geschäftshaus, das vom Büro Dannien Roller Architekten + Partner umgebaut und durch einen eingeschossigen Anbau erweitert wurde. In direkter Nachbarschaft zum historischen Pfleghof gelegen, nutzt das Architekturbüro die Räumlichkeiten des historischen Gebäudes und des Neubaus selbst. Die breite Fensterfront zur Pfleghofstraße erlaubt sowohl Einblicke als auch den Zutritt in den zweigeschossigen Empfangsbereich. Der Ladenraum bietet unter anderem durch das offene Fachwerk differenzierte Durchblicke in die verschiedenen Ebenen. Damit wurde die Idee einer offenen, egalitären Bürolandschaft umgesetzt.
Über die abwärts führende Treppe gelangt man in das Zwischengeschoss, das eine Verbindung zum Anbau herstellt. Um diese Verbindung realisieren zu können, wurde im Rahmen des Umbaus die Bodenplatte des Altbaus abgesenkt. Im Mezzanin sind Technik, Sanitärräume und die Küche untergebracht, während sich im Neubau die Bibliothek, ein Konferenzbereich und Büros befinden. Insgesamt beeindrucken die Räume mit einer wohltuenden Schlichtheit. Die Wandflächen im Altbau sind mit durchgefärbtem grobem Putz gestaltet, während im Neubau das rohe Mauerwerk sichtbar und von rauer Ästhetik ist. Farbliche Akzente, wie der Küchentresen in Neongelb, das Messinggeländer und silberne Vorhänge, stehen im lebendigen Zwiegespräch mit der Architektur.
Der Neubau, der sich winkelförmig Richtung Mühlstraße erstreckt, setzt sich in seiner modernen Formensprache vom Altbau ab. Aber nicht, ohne zugleich die Vergangenheit des Ortes aufzugreifen und sich so harmonisch in den historischen Kontext einzufügen.
Der offene Innenhof zitiert ein Element der Tübinger Stadtstruktur und schafft eine Verzahnung von privatem und öffentlichem Bereich. Großflächige Fenster öffnen die Fassade und ermöglichen den Blick zum Österberg. Die grobe Putzstruktur in zurückhaltender Mehrfarbigkeit korrespondiert mit den Natursteinmauern der Schulbergterrassen und dem Pfleghof. Die Terrassierung des Anbaus mit begrünter Dachlandschaft differenziert den skulpturalen Baukörper, der sich in den Hang der Schulbergterrassen einbettet und so wie selbstverständlich Bestandteil der vorgegebenen Topografie und Stadtmorphologie wird.
www.dannien-roller-architekten-partner.de
(Erschienen in CUBE Stuttgart 01|21)