Mit Rücksicht auf die Geschichte
Neues Wohnen im historischen Bestand
Gewöhnlich betrachten wir unsere Umgebung auf „Augenhöhe“. Wenn wir nach oben schauen, erweitert sich zwar unsere Perspektive, doch was auf so manchen Dächern der Stadt passiert, bleibt uns oft verborgen. Interessant ist die nähere Betrachtung allemal, denn viele Bestandsgebäude rüsten auf und bieten – dank gelockerter Gesetzgebung – außergewöhnliche Lebenssituationen unter freiem Himmel an.
So auch das Haus in der Stadiongasse 6-8, das einst im Jahr 1883 nach den Plänen des bekanntesten Architekten Österreichs, Otto Wagner, erbaut wurde. Dass das Gebäude unter strengem Denkmalschutz steht, mag zunächst wie ein Widerspruch zum vollzogenen Dachausbau klingen. Doch das Wiener Architekturbüro Kiskan – Kaufmann + Venturo ZT hat gemäß den Auflagen des Bundesdenkmalamtes eine Lösung erarbeitet, die die Struktur sowie die besonderen Merkmale der alten Bausubstanz berücksichtigt und gleichzeitig Neues zulässt.
Das Dachgeschoss bietet heute Platz für fünf Wohnungen mit einer Gesamtfläche von rund 1.200 m² und zusätzlichen 170 m² Terrassenfläche. Die Auflage des Bundesdenkmalamtes lautete, die straßenseitige Dachform in Höhe und Neigung zu erhalten. Lediglich ein neues schmales Fensterband für die notwendige Belichtung der Wohnungen wurde stattgegeben. Die wesentlichen Veränderungen wurden hofseitig vollzogen. Dort haben die Architekten das Dach „aufgeklappt“ mit dem Effekt, ein Vollgeschoss ohne Dachschrägen zu generieren und obenauf eine weitere zurückspringende Ebene mit vorgelagerten Terrassen zu ergänzen.
Neben der Erhaltung des äußeren Erscheinungsbildes wurde viel Wert auf die Tragkonstruktion und das Materialkonzept des zweigeschossigen Ausbaus gelegt. Aus statischen Gründen fiel die Entscheidung auf eine Leichtbauweise in Holz kombiniert mit Stahlstützen. Während sämtliche Glasfassaden zum Hof außenliegende Aluminium-Sonnenschutzlamellen erhielten, wurden zur Straße hin aus Bestandsgründen ein innenliegendes Sonnenschutzsystem berücksichtigt. Die Dachdeckung des Steildaches wurde gemäß Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt mit naturgrauen Faserzementplatten ausgeführt; sämtliche Spenglerarbeiten wurden in Zink-Titanblech geplant.
Nach einer dreijährigen Planungs- und Genehmigungsphase und einer zweijährigen Bauphase bleibt der historisch wichtige Bau aus dem 19. Jahrhundert weiterhin wie gewohnt im Stadtbild verankert und passt sich doch rücksichtsvoll an die Herausforderungen und Anforderungen des 21. Jahrhunderts an.
www.kiskan.com
Fotos:
Bruno Klomfar
www.klomfar.com