Hintergründig verspielt
Quirlige Lebendigkeit hinter städtisch-repräsentativer Fassade
Veränderungen prägen das Leben in der Stadt. Menschen ziehen hin, ziehen um, ziehen weg. Es wird abgerissen, es wird gebaut, überall, so auch im dritten Bezirk, wo die ehemaligen Postbusgaragen der ÖBB neuen Wohnungen gewichen sind. Auf einem rund drei Hektar großen Gebiet haben die beiden Unternehmen ARE und Premium Immobilien ein neues Wohnquartier entwickelt, das sich repräsentativ und städtisch zeigen soll. Acht Architekten durften ihre Vorstellungen realisieren, darunter Blaich und Delugan Architekten. Zum geforderten repräsentativ-städtischen Charakter fügten sie einen augenzwinkernd verspielten Touch hinzu. Prägnant zeigt sich dies in der Fassadengestaltung, die zwischen dem öffentlich-städtischen Raum und den eher zurückgezogenen Bereichen des L-förmigen Gebäudes unterscheidet.
Auf Verspieltheit verzichteten die Architekten auf keiner Seite. Selbst die strenge horizontale Linienführung der dem Park zugewandten Fassade verändert sich, je nachdem wie das Licht auf die Verkleidung fällt. Es entsteht eine angenehme Spannung in der Ansicht dieses Gebäudeteils, das mit seinen angedeuteten Arkaden im Erdgeschoss repräsentativ wirkt. Die durchgängigen Brüstungsbänder der Balkone ragen über die eigentlichen Gebäudeecken hinaus, verbinden den öffentlichen Raum mit dem privaten. Die Wohnungen dagegen scheinen sich hinter diesen Bändern aus Alucobond und den dahinter liegenden Balkonen geradezu zu verstecken. Der eigentliche private Raum bleibt als solcher erhalten. Anders zeigt sich die an einem öffentlichen Weg gelegene lange Fassadenseite. Hier schließen die Außenbereiche der Erdgeschosswohnungen an den öffentlichen Raum an. Durch ein durchgängiges Brüstungsband im ersten Obergeschoss werden diese wie Boxen vorgelagerten, von einer lockeren Lattung umgebenen Außenbereiche an das Gebäude angebunden. Geradezu verspielt wirkt die Fassade zum Innenhof, wo Vorsprünge und große Balkone mit ihren versetzt angeordneten Brüstungselementen ein lebendiges Bild entstehen lassen. „Die Fassade mutiert zu einem Suchbild, in welchem sich die Bewohner individuell darstellen können. Es entsteht ein Spiel zwischen Ein- und Ausblicken“, so Architekt Dieter Blaich. Damit nimmt die Fassade vorweg, was mit dem Einzug unterschiedlicher Bewohner ohnehin geschehen wird. Auch wenn die meisten Wohnungen über etwa die gleiche Fläche von 54 m² verfügen, wird doch jede der 112 Wohneinheiten ihren eigenen Stil aufweisen.
www.blaichdelugan.com
Fotos:
Lukas Schaller
www.lukasschaller.at
(Erschienen in CUBE Wien 04|20)